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Zum Teufel mit dem Jenseits! (German Edition)

Zum Teufel mit dem Jenseits! (German Edition)

Titel: Zum Teufel mit dem Jenseits! (German Edition)
Autoren: Daniela Herbst
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Warum zum Teufel war er wach? Ohne triftigen Grund kroch er sonst nie vor elf aus den Laken; und um als triftiger Grund durchzugehen, mussten laut seiner Definition mindestens die Worte biblische Katastrophe , Weltuntergang oder Grammy-Verleihung darin vorkommen.
    Auf seltsame Weise wirkten diese Gedanken nicht neu. Aber weder sein Hirn noch sein Körper waren gerade imstande, sich ernsthaft damit auseinanderzusetzen. Unmotiviert schluckte er den schalen Geschmack, den das Déjà-vu verursachte, herunter und fühlte den Moment auch beinahe sofort verstreichen.
    Welcher Segen ihm dadurch zuteilwurde, ahnte er in diesem Augenblick natürlich nicht. Denn dazu hätte er wissen müssen, dass er gleich Kurt Cobain das Victoryzeichen zeigen, den Kopf seines Bruders suchen, seine Vogelspinne zutexten, über sein verformtes Tattoo jammern, einen wütenden Groupiegeist auf dem Klo finden, mit ebendiesem Geist in Streit geraten und am Ende durch eine verirrte Silbergabel im Herzen sterben würde.
    Darüber hinaus hätte er wissen müssen, dass er diesen Tag inklusiver seiner unzähligen Banalitäten bereits zum dreizehnten Mal erlebte, sich bei jedem Neustart ein winziges Fragment in seinem Gedächtnis einnistete und er irgendwann sämtliche Schritte bis ins letzte Detail schon vorher kennen, jedoch unfähig sein würde, auch nur das Geringste am Ablauf zu ändern.
    Aber zum Glück wusste er das ja nicht. Diese Dinge lagen für Leon augenblicklich in weiter Ferne - ebenso wie die ungestellte, nichtsdestotrotz zentrale Frage: Wohin mit einem toten Werwolf, der nicht länger auf der Erde verweilen kann? Das Tier in die Hölle schicken, geht nicht, denn es folgt bloß seiner Natur, und dem Menschen einen Platz im Himmel reservieren, ist auch unmöglich, weil er der Bestien das Morden gestattet hat.
    Was also macht man mit einer zwiegespaltenen, verlorenen Seele?
    Nun, man schickt sie auf alle Ewigkeit in die Warteschleife ...
     

Letzter Gedanke München
     
    Mein Name ist Maximilian Freese. Ich bin vierunddreißig Jahre alt, von Berufs wegen Mediendesigner, Sohn von Ernst und Claudia Freese, bester Kumpel von Fabian Escher, Freund von Sabine Winter, Fan diverser Science-Fiction-Serien, Liebhaber guten Essens und musikalisch im Mainstream beheimatet.
    Was gibt es sonst noch über mich zu wissen? Eigentlich nicht viel. Seit ich meinen letzten Pubertätspickel ausgequetscht habe, führe ich ein ganz normales Leben ohne besondere Vorkommnisse.
    Am Morgen trudle ich etwas unmotiviert meiner Arbeit entgegen. Dort verbringe ich zehn bis zwölf Stunden vorm Computer und zähle die Tage bis zu meinem nächsten Urlaub. Mittags quäle ich meinen Magen, indem ich ihm Kantinenfutter nebst literweise Kaffee einflöße. Gegen Abend schließlich schiebe ich mich wie jeder brave Bürger in die S-Bahn, suche nach einem Sitzplatz und warte mit all den anderen Leuten auf meine Haltestelle. Wenn mir danach ist, blättere ich in meiner Süddeutschen, schreibe eine sinnfreie SMS oder bemitleide mich selbst wegen des banalen Lebensstils, an den mich das Schicksal gekettet hat.
    So sieht mein Terminplan unter der Woche aus. Falls mein Job mir kein Bein stellt, würze ich die Sache samstags und sonntags durch Besuche bei meinen Eltern, Männerabende mit Kumpels und Sex, der länger dauert als fünf Minuten. Gelegentlich treibe ich sogar Sport oder lasse mich von Sabine zu irgendwelchen kulturellen Veranstaltungen schleppen.
    Kurz zusammengefasst halte ich mich für einen vernünftigen, einigermaßen intelligenten und ausgeglichenen Menschen, der keine depressiven Züge, abartige Neigungen geschweige denn masochistische oder gar selbstzerstörerische Tendenzen besitzt.
    Trotzdem stehe ich seit einer halben Stunde an dieser gottverdammten Tür und kann meine Hände kaum davon abhalten, die Klinke zu drücken. Dabei wartet hinter diesem beschissenen Stück Holz die Hölle. Ein nach Verwesung stinkendes Armageddon ...
     
    Nach wie vor hat mein Verstand seine Schwierigkeiten damit, diesen Albtraum zu begreifen. Pasing - ist das zu fassen? München geht unter und es nimmt seinen Ursprung im kleinen Pasing? Das wäre in etwa dasselbe, als wenn ein Elefant umkippt, weil ihm eine Mücke gegen das Schienbein tritt.
    Verrückt!
    Aber ich muss es schließlich auch nicht glauben. Ich weiß es. Ich sehe es. Die Berichte laufen rund um die Uhr auf sämtlichen Kanälen. Egal wo man hinzappt, sprechen sie von den zwei Drähten, die sich versehentlich berührt haben.
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