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Zum ersten Mal verliebt

Titel: Zum ersten Mal verliebt
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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Anzeichen von dem finsteren Charakter, der wirklich in ihm steckte. Susan warnte die anderen natürlich und sagte, von diesem teuflischen Jack Frost könne man nichts Gutes erwarten. Doch niemand hörte auf Susans düstere Prophezeiungen.
    Die Blythes hatten sich so daran gewöhnt, Jack Frost flir ein Mitglied des männlichen Geschlechts zu halten, dass sie sich auch jetzt nicht umgewöhnen konnten. So redeten sie weiterhin von »ihm«, auch wenn das lächerlich war hinsichtlich dessen, was dabei herausgekommen war. Leute, die zu Besuch kamen, glaubten ihren Ohren nicht zu trauen, wenn Rilla wie selbstverständlich von »Jack und seinen Jungen« sprach oder wenn sie Goldie befahl: »Geh zu deiner Mutter und lass dir das Fell von ihm sauber machen!«
    »Das ist doch unanständig, liebfe Frau Doktor«, jammerte dann die arme Susan. Sie selbst zog sich aus der Affäre, indem sie Jack einfach »es» nannte oder aber »das weiße Ungeheuer«, und es gab zumindest eine Person, der es nicht Leid tat, als »es« im darauf folgenden Winter unglücklicherweise vergiftet wurde.
    Im Verlauf eines Jahres passte der Name Goldie immer weniger zu dem orangen Kätzchen, sodass Walter, der gerade Stevensons Geschichte las, es in Dr.-Jekyll-und-Mr-Hyde umtaufte. In seiner Dr.-Jekyll-Laune war es ein schläfriges, zärtliches, häusliches Tierchen, das am liebsten in den Kissen lag und sich hätscheln und tätscheln ließ. Es lag besonders gern auf dem Rücken und ließ sich seinen glatten zartgelben Hals streicheln, während es glückselig vor sich hin schnurrte. Sein Schnurren war schon bemerkenswert. Es hatte bisher noch keine einzige Katze auf Ingleside gegeben, die so beharrlich und schwärmerisch schnurren konnte.
    »Das Einzige, worum ich Katzen beneide, ist das Schnurren«, sagte Dr. Gilbert Blythe einmal, als er Docs dröhnendem Gesang lauschte. »Es gibt keinen Laut auf der Welt, der so viel Zufriedenheit ausdrückt.«
    Doc war sehr hübsch, jede seiner Bewegungen war voller Anmut, seine Haltung erhaben. Wenn er seinen langen gestreiften Schwanz um seine Füße ringelte und sich auf der Veranda niederließ, um unbeweglich hinaus in die weite Ferne zu starren, dann fanden die Blythes, dass er aussah wie eine ägyptische Sphinx.
    Wenn ihn dann aber die Mr-Hyde-Laune überkam - was immer dann passierte, wenn sich Regen oder Wind ankündigte -, dann wurde er zum Biest und bekam einen völlig veränderten Blick. Die Verwandlung vollzog sich urplötzlich. Eben noch vor sich hin dösend, schoss Doc wie der Blitz mit wütendem Geknurr hoch und biss nach jeder Hand, die ihn besänftigen oder streicheln wollte. Sein Fell schien sich zu verdunkeln und seine Augen funkelten wie der Teufel. Er sah dann wirklich ganz unheimlich aus. Wenn sich die Verwandlung in der Abenddämmerung vollzog, dann bekamen es die Ingleside-Bewohner beinahe mit der Angst zu tun. Dann wurde Doc zur Furcht erregenden Bestie, und nur Rilla verteidigte ihn und sagte, was für ein netter Kater er doch sei. Und wie nett!
    Dr. Jekyll mochte gern frische Milch. Mr Hyde rührte keine Milch an, und wenn es Fleisch gab, knurrte er. Dr. Jekyll kam so leise die Treppe herabgeschlichen, dass niemand ihn hörte. Mr Hyde kam so lautstark dahergestampft, dass es sich anhörte wie ein Mensch. Susan behauptete, er hätte sie an manchen Abenden, wenn sie allein im Haus war, schon so erschreckt, dass sie beinah »tot umgefallen wäre«. Er hockte dann mitten auf dem Küchenboden und starrte sie mit seinen schrecklichen Augen ununterbrochen an, ohne mit der Wimper zu zucken. Es war kaum zum Aushalten, aber die arme Susan hatte viel zu viel Angst vor ihm, als dass sie versucht hätte, ihn zu verjagen. Einmal hatte sie es gewagt, einen Stock nach ihm zu werfen, mit dem Erfolg, dass er ihr ins Gesicht sprang. Susan hatte daraufhin die Flucht ergriffen und seither nie wieder versucht, sich mit Mr Flyde anzulegen. Allerdings ließ sie dann den armen, unschuldigen Dr. Jekyll für seine Missetaten büßen, indem sie ihn schimpfend aus ihrem Revier jagte, sobald er sich erdreistete die Nase zur Tür hereinzustecken, und ihm so manchen Leckerbissen verwehrte, nach welchem er lechzte.
    »Miss Faith Meredith, Gerald Meredith und James Blythe«, las Susan und ließ die Namen genüsslich auf ihrer Zunge zergehen, »haben das Redmond College absolviert und sind von ihren Freunden zu Flause herzlich begrüßt worden. James Blythe, der 1913 in den Geisteswissenschaften promovierte, hat sein erstes
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