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Zum ersten Mal verliebt

Titel: Zum ersten Mal verliebt
Autoren: Lucy Maud Montgomery
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lächerlichen Spitznamen gegeben?«, wollte Anne wissen.
    »Seit ich überhaupt denken kann, haben ihn die Jungen aus Lowbridge schon so genannt, liebe Frau Doktor. Wahrscheinlich, weil er so ein rundes rotes Gesicht hat mit so einem komischen rotblonden Bart außen rum. Er darf es natürlich nicht hören, dass man ihn so nennt. Aber schlimmer als der Bart ist seine Unvernunft. Was dieser Mann für komische Ideen hat! Jetzt ist er Kirchenältester und angeblich sehr fromm. Aber ich erinnere mich noch gut, liebe Frau Doktor, wie er vor zwanzig Jahren dabei ertappt wurde, als er seine Kuh auf dem Friedhof von Lowbridge weiden ließ. Ja, wirklich, das habe ich nicht vergessen, und ich muss oft daran denken, wenn er im Gottesdienst betet. So, das waren die Notizen, und das dürfte wohl schon alles gewesen sein, was an Wichtigem in der Zeitung steht. Ich interessiere mich nie besonders für das, was woanders passiert. Wer ist denn zum Beispiel dieser Erzherzog, der da ermordet worden ist?« »Was geht das uns an?«, fragte Miss Cornelia, ohne eine Ahnung davon zu haben, auf was für eine schreckliche Art und Weise sie das bald etwas angehen würde.
    »In diesen Balkanstaaten wird doch andauernd gemordet. Das ist doch schon ganz normal dort, und ich finde nicht, dass unsere Zeitungen über solche schockierenden Dinge berichten sollten. Die Enterprise ist immer auf Sensation aus mit diesen fetten Überschriften. So, jetzt muss ich aber gehen. Nein, liebste Anne, zum Abendessen kann ich leider nicht bleiben, falls du das fragen willst. Wenn ich nicht zum Essen zu Hause bin, dann isst Marshall nämlich auch nichts. Das lohnt sich nicht, sagt er dann - typisch Mann! Also gehe ich lieber. - Du lieber Himmel, liebste Anne, was ist denn mit diesem Kater los? Kriegt er etwa einen Anfall?«
    Doc sprang mit einem Satz vor Miss Cornelias Füße, legte die Ohren zurück, fauchte sie an und machte dann einen weiteren Satz durchs Fenster nach draußen.
    »Nein, nein. Er verwandelt sich nur gerade in Mr Hyde. Das bedeutet, dass es noch vor morgen Regen oder Sturm gibt. Doc ist so zuverlässig wie ein Barometer.«
    »Ich bin bloß froh, dass er sich diesmal draußen austobt und nicht wieder in meiner Küche«, sagte Susan. »So, und ich gehe jetzt und kümmere mich ums Abendessen. Bei so einer großen Schar, wie wir hier auf Ingleside sind, muss man schon rechtzeitig ans Essenvorbereiten denken.«

Morgentau
    Die Sonne verwandelte den Garten von Ingleside in lauter kleine goldene Seen, die sich abwechselten mit geheimnisvollen Schatten. Rilla Blythe schaukelte in der Hängematte unter der großen schottischen Pinie, Gertrude Oliver saß neben ihr am Fuß des Baumes, und Walter lag ausgestreckt im Gras, vertieft in einen Ritterroman, in dem alte Helden und längst vergangene Zeiten für ihn neu zum Leben erwachten. Rilla war das »Baby« in der Familie Blythe. Sie war knapp fünfzehn und ärgerte sich darüber, dass niemand sie für erwachsen halten wollte. Noch dazu war sie fast so groß wie Di und Nan. Und sie war beinah so hübsch, wie Susan es von ihr behauptete. Sie hatte große, braune, verträumte Augen, einen zarten Teint mit lauter kleinen goldenen Sommersprossen und fein geformte Augenbrauen, die ihr einen ernsten, fragenden Ausdruck verliehen und die Leute aufmerksam machten, ganz besonders junge Männer in ihrem Alter. Ihr Haar war rötlich braun, und sie hatte ein Grübchen in ihrer Oberlippe, als wenn eine gute Fee ihr dieses Grübchen bei der Taufe mit dem Finger eingedrückt hätte. Rillas beste Freundinnen, die wussten, dass sie ein wenig eitel war, fanden an ihrem Gesicht nichts auszusetzen. Nur ihre Figur gefiel ihnen nicht recht. Wenn man ihre Mutter doch bloß davon überzeugen könnte, dass ihr lange Kleider besser standen! So dick und rund sie als kleines Kind gewesen war, so unglaublich mager war Rilla jetzt. Sie bestand nur aus Armen und Beinen. Jem und Shirley quälten sie, weil sie sie »Spinne« nannten. Dabei wirkte sie nicht etwa unbeholfen. Vielmehr hatten ihre Bewegungen den Anschein, als ob sie nicht ging, sondern tanzte. Rilla war immer ein kleiner Sonnenschein gewesen, man hatte sie sogar ein kleines bisschen verwöhnt, aber die meisten Leute fanden, dass sie ein süßes Mädchen war, auch wenn sie vielleicht nicht so klug war wie Nan und Di.
    Miss Oliver, die noch am Abend nacFTLowbridge aufbrechen wollte, um dort die Ferien zu verbringen, wohnte seit einem Jahr in Ingleside. Die Blythes hatten sie Rilla
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