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Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang
Autoren: Erwin Kohl
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ebenfalls einen Spalt weit offen. Am Rand des Pools saß ein Eichhörnchen und sah ihn misstrauisch an. Er blieb stehen und blickte sich weiter in dem Raum um. Sein Blick fiel auf eine Stelle an der Wand neben dem Kamin. Ein großes Ölbild hing wie eine Fensterlade halb geöffnet in Richtung Kamin und gab den Blick auf einen offenen Wandtresor frei. Zwischen ihm und dieser Wand befand sich eine ausladende Sitzlandschaft. Sechs klobige, schwarze Ledersessel mit hohen Rückenlehnen standen um einen passenden, etwa zwei Meter langen Naturholztisch mit einer dicken, anscheinend unbehandelten Tischplatte. Joshua ging um die Sitzgarnitur herum zur Wand, in der sich der Tresor befand. Die Öffnung befand sich genau in seiner Augenhöhe. Einige Schnellhefter und ein schwarzer Aktenordner lagen darin. Er rührte sie nicht an und drehte sich langsam herum. Plötzlich gefror ihm das Blut in den Adern. Ihm gegenüber in einem der Sessel saß eine Frau und sah ihn mit leerem Blick an. Mitten in ihrer Stirn befand sich ein Einschussloch.

    Joshua fing sich schnell, in seinem Kopf begann es zu hämmern. Langsam näherte er sich der Frau und fasste ihr an den Hals. Die Körpertemperatur war kaum gesunken. Ihm wurde kalt. Der Mörder war möglicherweise noch im Haus, schoss es ihm durch den Kopf. Ein Angstgefühl überfiel ihn, welches er sofort verdrängte. Es fiel ihm schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Krampfhaft versuchte er, die Lage zu analysieren. Sein Handy war kaputt, seine Pistole im Büro und der Mörder möglicherweise ganz in seiner Nähe. Als Erstes musste er die Kollegen alarmieren. Joshua blickte sich um. Hinter ihm auf dem Tisch lag ein Funktelefon. Er zog ein Papiertaschentuch aus der Innentasche seiner Lederjacke und hob es damit vorsichtig an. Hektisch tippte er die Nummer der Leitzentrale in das Display und hielt sich den Apparat ans Ohr. Joshua vernahm ein kaum hörbares Rauschen und legte das Telefon frustriert beiseite. Es gab nur eine Möglichkeit, er musste so schnell wie möglich hier raus, um telefonieren zu können. Spontan sah er zur offenen Terrassentür, entschied sich aber für den gleichen Weg, den er gekommen war. In der Tür zur Eingangshalle verharrte er noch einmal und lauschte. Es war immer noch still, lediglich sein Atem war zu hören. Dann fiel ihm die Dunkelheit im Flur auf. Nur aus der oberen Etage drang etwas Licht und beleuchtete einen Teil der Treppe, sowie die Eingangstür. Am Rahmen der Haustür bemerkte er Blutflecken. Als Joshua hinausgehen wollte, hörte er im Obergeschoss eine Tür zufallen und zuckte zusammen. Kurz darauf wurde eine zweite Türe geschlossen. Hastig fuhr er herum und fasste sich sofort an die schmerzende Schulter. Er sah sich in der Eingangshalle um und entdeckte auf dem Tisch an der Treppe schemenhaft einen länglichen Gegenstand. Als er sich dorthin tastete und ihn an sich nahm, wunderte er sich. Der Kerzenhalter war ungewöhnlich schwer. Langsam und bemüht leise schlich er die Treppe hinauf. Der rote Teppich schluckte die Geräusche seiner Schritte. Oben angekommen, sah er sich um. Das Licht kam von einer messingfarbenen Wandlampe mit Glühbirnen, die an Kerzenflammen erinnerten. Ein langer roter Teppich füllte den Flur aus. Gegenüber dem Treppengeländer zwischen zwei Türen stand eine weiße Kommode. An den Längsseiten des Flures befanden sich zwei weitere Türen. In einer Ecke stand eine Bodenvase mit drei künstlichen Sonnenblumen. Joshua hielt einen Augenblick die Luft an und vernahm leise Musik. Sie schien aus dem Zimmer am rechten Ende des Flurs zu kommen. Joshua fiel ein seltsamer Geruch auf, er erinnerte ihn an kalten Rauch. Es war nicht dieser Geruch, der in Räumen, in denen viel geraucht wurde, noch tagelang in der Luft klebte. Es roch eher wie nach einem Brand. Kurz vor der Tür sah er Licht im Schlüsselloch. Er bückte sich und blickte hindurch. Vorher drehte er sich noch einmal herum, um sich zu vergewissern, alleine auf dem Flur zu sein. Seine Schmerzen wurden immer stärker, er sehnte sich auf einmal danach, zu Hause bei seiner Familie zu sein. In diesem Augenblick fühlte er sich unendlich einsam.
    Durch das Schlüsselloch erkannte Trempe eine junge Frau, die in einem Korbsessel saß, die Beine übereinander geschlagen hatte und einen Kopfhörer trug. Ihre Finger klopften in einem nicht zu erkennenden Rhythmus auf die Lehnen des Sessels. Joshua spürte ein Gefühl der Erleichterung. Plötzlich erschrak er und stellte sich aufrecht
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