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Zugzwang

Zugzwang

Titel: Zugzwang
Autoren: Erwin Kohl
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Gulaschsuppe. Marlies ließ spontan eine leere Obstschale herumreichen, in die jeder einen Geldschein legte. Kalle versuchte einen größeren Posten versilberter Feuerzeuge, die er günstig ersteigert hatte, unter den Kollegen loszuwerden. Lediglich Daniel war noch nicht da. Man war gespannt auf sein Outfit. Marlies hatte ihm beim letzten Treffen mit Zustimmung aller deutlich zu verstehen gegeben, das Galakleidung für ein solches Treffen nicht unbedingt erforderlich sei.
    Als Daniel hereinkam, verstummten augenblicklich alle Gespräche. Zu einer gleichmäßig verwaschenen Jeans trug er ein dunkelblaues Jeanshemd. Lediglich der knallrote Blazer störte die legere Kleidung und beleidigte Marlies’ Augen.
    »Wenn du jetzt noch diese grässliche Jacke ausziehst, darfst du reinkommen, du Torero.«
    Joshua musste mit einem Mal lachen.
    »Georg hatte gar nicht so Unrecht. Es sind nur die Schatten der Wirklichkeit, die wir wahrnehmen.«
    Sie sahen ihn verwirrt an und verstummten augenblicklich. Joshua erzählte von seinem Treffen mit dem Philosophiestudenten und dem Gleichnis Platos.
    »Und derart wichtige Ermittlungserkenntnisse enthältst du uns?«, empörte sich Kalle mit einem Lachen.
    »Aber wir haben den Fall ja auch ohne Philosophie gelöst.«
    Viktor hob freudestrahlend sein Glas.
    »Auf den abgeschlossenen Fall.«
    Sie prosteten sich jubelnd zu, nur einer wirkte nachdenklich.
    »Was ist mit dir, Cedric?«, fragte Jack.
    »Wir haben eine Schlacht gewonnen. Es war die erste in diesem Krieg.«
    Sie sahen ihn alle, teils mitleidig, teils staunend an.
    »Die Technik ist raus. Das, wogegen wir gekämpft haben, kann sich jetzt jederzeit wiederholen.«
    Für einige Sekunden war es ruhig. Alle wirkten nachdenklich.
    »Was ist denn damit alles möglich?«
    »Alles. Jedenfalls jede Beeinflussung des menschlichen Bewusstseins. Künftig muss jede freie Wahl in Frage gestellt werden. Mit dieser Technik lässt sich jede Demokratie aushebeln, sie öffnet neue Wege für totalitäre Systeme. Die gesamte freie Marktwirtschaft kann damit beeinflusst werden, Menschen praktisch zu willenlosen Robotern gemacht werden. Diese Technik ist eine Waffe, die alles bisher gewesene in den Schatten stellt.«
    »Aber diese Technik kann doch auch für friedliche Zwecke eingesetzt werden, oder?«, der Optimismus von Marlies schien grenzenlos.
    »Genau«, warf Kalle ein, »man könnte Schalke damit endlich mal zur Meisterschaft verhelfen.«
    Während die anderen grinsten, sah Cedric resigniert in die Runde. Winnie, der sich bis dahin deutlich zurückhielt, versuchte die Stimmung zu retten.
    »Also Leute, ich denke, jeder in unserem Land weiß jetzt, wozu diese Forscher in der Lage sind. Überlasst die präventiven Maßnahmen mal den Politikern. Für irgendwas müssen die ja zu gebrauchen sein.«
    Spät in der Nacht, nur noch Marlies, Daniel, Joshua und Viktor saßen am Tisch, musste Joshua noch etwas loswerden.
    »Daniel, darf ich dich mal was Persönliches fragen?«
    »Nur zu.«
    »Als ich neulich an deinem Computer war, habe ich eine Passwort gesicherte Datei mit dem Namen »Kollegen« entdeckt. Ich muss zugeben, dass ich zuerst den Verdacht hatte, du spionierst uns aus.«
    Daniel verschluckte sich an seinem Pils. Leicht errötend senkte er den Blick.
    »Du musst nicht darüber sprechen, wenn es dir peinlich ist«, beruhigte Marlies ihn.
    »Doch, doch. Obwohl, peinlich ist es schon. Ich mag es nicht, wenn man sich nur dienstlich kennt, wo man doch soviel Zeit mit seinen Kollegen verbringt. Trotzdem weiß man oft fast gar nichts über die Menschen, die hinter dem Dienstgrad stehen. Wenn man jahrelang zusammen arbeitet, ja. Aber ich habe in den letzten Jahren öfter die Dienststelle gewechselt. Dabei kann man sich dann leicht wie ein Außenseiter fühlen. In der Datei sind einfach nur die Personen mit ihren Interessen und Vorlieben aufgeführt. Und natürlich den Geburtsdaten samt möglichen Geschenken.«
    Marlies sah ihn mit großen Augen an.
    »Du hast tatsächlich auf deinem Computer vermerkt, wem du was schenkst, falls sie oder er dich mal zum Geburtstag einlädt?«
    Daniel nickte. Es schien ihm wirklich peinlich zu sein. Joshua tat es Leid, überhaupt danach gefragt zu haben.
    »In meiner letzten Dienststelle habe ich einem Kollegen einen exquisiten französischen Rotwein geschenkt. Das war ein Reinfall. Ich wäre am liebsten im Erdboden verschwunden.«
    »Wieso? Mochte er keinen Rotwein?«
    »Doch. Er mochte aber zuviel davon. Zwei Monate
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