Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Zuckerpüppchen - Was danach geschah

Titel: Zuckerpüppchen - Was danach geschah
Autoren: Heidi Hassenmüller
Vom Netzwerk:
natürlich waren andere Dinge auch wichtig. Aber das wußte Gaby ja...
    Morgen kommen die Kinder, hieß von Anfang an so etwas wie: Morgen kommen die Kinder, und nichts anderes ist wichtig. Gaby wußte noch nicht, daß die vierzehntägige Besuchsregelung seiner Kinder aus erster Ehe dreizehn Jahre lang Gültigkeit haben sollte. Was für andere Probleme auch in ihrem Leben eine Rolle spielten, Krankheit, Tod, die Kinder kamen, daran war nicht zu rütteln. Ein ungeschriebenes Gesetz, Diskussion geschlossen.
    Die zwei Jungen glichen ihrer blonden, holländischen Mutter, die kleine Xenia mit ihren langen, pechschwarzen Haaren und den dunklen Jettaugen kam Gaby vor wie eine verirrte Prinzessin aus Tausendundeiner Nacht. Hubert nickte, als sie das feststellte, und das erste Mal sah Gaby Haß auf seinem schönen Gesicht. Nicht auf seine geschiedene Frau, sondern auf seinen ehemaligen Freund, den dunkelhäutigen Marokkaner. Der sei ihr Vater, gestand er ihr, aber er habe Xenia von Anfang an als seine Tochter gesehen. Und von ihm wird sie auch nicht erfahren, wer ihr Erzeuger ist. Gaby hatte Mühe, alles so schnell zu begreifen. Eins seiner Kinder war nicht sein eigenes. Das Kind von seinem Freund. Wie schrecklich mußte das für ihn gewesen sein. Sie hätte ihn gerne getröstet, aber in seiner Haltung warnte sie etwas, ihm jetzt zu nahe zu kommen. Und Xenia? Was war mit dem Kind? “Soll das heißen, daß ihr dem Kind nicht sagen wollt, daß es nicht deine leibliche Tochter ist?” Sie mußte das einfach fragen. Hubert sah sie starr an. “Ich habe Charlott mein Ehrenwort gegeben. Sie als Mutter hat allein das Recht, Xenia zu sagen, was damals geschehen ist. Und das gilt auch für dich.” Gaby begehrte auf. Warum sie sich an ein Versprechen halten sollte, deren Sinn sie nicht einsehen konnte. Im Gegenteil, warum erklärte er seinen Kindern nicht, daß das anhaltende Verhältnis mit Abdulh seine Ehe zerstört hatte? Dann hätten seine Kinder vielleicht etwas mehr Verständnis für seine Scheidung! Vielleicht würden die Kinder sie dann auch leichter als neue Frau ihres Vaters akzeptieren können? Die Kinder kamen zwar regelmäßig alle vierzehn Tage, aber sie fühlte eine deutliche Mauer um die drei herum, die sie nur schwer durchbrechen konnte. Während des Essens erzählten die Jungen mit Vorliebe, was ihre Mutter gesagt und getan hatte. Wie gut sie dieses oder jenes Essen zubereitet hatte. Wie sie früher — weißt du noch, Pappa, als du noch zu Hause warst — viel gelacht hatten. Daß das nicht den Tatsachen entsprach, sollte Gaby erst vierzehn Jahre später hören, als sein ältester Sohn wegen starker psychischer Störungen in einer Anstalt war. “Die einzige Erinnerung an meinen Vater”, sagte er dann mit versteinertem Gesicht, “ist die, daß er in seinem Arbeitszimmer saß, während meine Mutter mit Abdulh im Wohnzimmer lachte. Da war es warm und gemütlich, zu meinem Vater konnte ich nicht durchdringen.”
    “Vielleicht wäre Xenia auch weniger eifersüchtig auf mich. Ein Kind mit sechs Jahren begreift viel mehr, als man denkt, wenn man sich die Mühe macht, es ihm auch zu erklären. So glaubt sie doch, du hast sie im Stich gelassen. Vielleicht sogar meinetwegen. Kein Wunder, wenn sie mich ablehnt.” — “Das bildest du dir nur ein. Natürlich ist sie eifersüchtig. Welches kleine Mädchen ist nicht eifersüchtig auf seinen Pappa?”
    Gaby schauderte. Eifersüchtig auf Pappi? Wenn du mich noch einmal betrügst, bringe ich mich um, hatte Mutti gesagt. War das betrügen, was Pappi mit ihr tat, hatte sich das Kind Gaby gefragt. Sie wußte es eigentlich noch immer nicht. Oder war sie betrogen worden von Mutti?

    “Ich erwarte von dir, daß du mit mir an einem Strick ziehst”, sagte Hubert bestimmt, und Gaby versuchte das Zittern ihrer Hände zu unterdrücken.
    “Ich finde es nicht richtig, wenn Kinder mit Lügen aufwachsen”, verteidigte sie mühsam ihren Standpunkt. “Kinder fühlen doch, daß etwas nicht stimmt.”
    Sie hatte es gefühlt. Wenn zu der Angst, mit der sie gelebt hatte, die Ahnung kam, daß Pappi wieder etwas im Schilde führte. Wenn sie aus der Schule kam und seinen Schatten im Toreingang verschwinden sah, wenn sie glaubte, ihn unter der Laterne bei Anne zu sehen, wenn sie eine spähende Grimasse am Fenster der Turnhalle entdeckte. Es war dieses Ahnen gewesen, dieses Riechen der Gefahr, totes Fleisch. Unfähig wegzulaufen, hatte es sie gelähmt wie das Kaninchen vor der Schlange. Sie
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher