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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition)
Autoren: Anica Schriever
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zu Füßen liegen. Außer einer. Ich breche jedes Mal in haltloses Gackern aus, weil Moritz absolut albern aussieht.
    »Bitte keine Details«, flehe ich und halte mir vorsichtshalber die Ohren zu.
    Moritz hebt gleichgültig die Schultern. Aus einem Seitenfach fischt er schließlich die Sprühsahne hervor und hält sie triumphierend in die Luft. Ich verdrehe entnervt die Augen. Moritz wird wirklich nie erwachsen!
    »Du hast übrigens Post bekommen. Ich habe sie dir in dein Zimmer gelegt.«
    Ich nicke gedankenverloren, während ich Teewasser aufsetze.
    Moritz legt den Kopf schief und betrachtet mich mit sorgenvoller Miene. »Was ist los, Miriam?«
    »Nichts. Alles bestens.«
    Er verschränkt die Arme vor der Brust, sein Blick spricht Bände. »Seit du aus Wismar zurückgekehrt bist, bist du wie ausgewechselt. Ist irgendwas passiert? Mit deinen Eltern?«
    »Nein. Alles prima. Könnte nicht besser sein«, entgegne ich. Sonderlich überzeugt hört sich das nicht an.
    Mein Mitbewohner guckt zweifelnd. »Auch wenn du dir noch so viel Mühe gibst, ich sehe dir an, dass du Kummer hast.«
    »Es ist wirklich alles in Ordnung«, bekräftige ich und ringe mich zu einem halbwegs überzeugenden Lächeln durch.
    Moritz seufzt ergeben. »Du bist eine miserable Lügnerin, Miriam! Aber gut, wenn du jemanden zum Reden brauchst, du weißt, wo du mich findest.« Dann schnappt er sich die Sprühsahne und schlurft in sein Zimmer, wo Miss Donnerstag garantiert sehnsüchtig auf ihn wartet.
    Seufzend gieße ich meinen Tee auf. Moritz hat ja recht. Seit meiner Rückkehr aus Wismar vor gut eineinhalb Wochen sind meine heiteren Glanzpunkte in der Tat rar gesät. Allerdings muss ich meinem Mitbewohner zugutehalten, dass er sich bisher nicht einmal deswegen beschwert hat, sondern meine Launen mit einer nahezu stoischen Ruhe erträgt. Ich mache es ihm aber auch leicht. Die meiste Zeit des Tages verkrieche ich mich in meinem Zimmer, beschalle mich mit diversen Independent- und Alternative-Platten, die Moritz abfällig als Friedhofsmusik bezeichnet, und tue mir selbst furchtbar leid. Die Welt hat mich nicht lieb, alle sind gegen mich, keiner versteht mich und überhaupt …
    Ein Gutes hat meine miese Laune, ich habe mein Versprechen wahr gemacht und endlich meinen Hintern für die Abschlussprüfungen hochgekriegt. Ewig an der Uni rumzuhängen ist ja nun auch nicht das Gelbe vom Ei – selbst in meinem momentanen Depri-Zustand nicht. Mein Vater kommentierte meinen Entschluss gestern Abend am Telefon mit den aufatmenden Worten: »Na endlich!« – was mich kurzzeitig zum Schmunzeln brachte. Die positive Stimmung verschwand jedoch sofort, als meine Mutter wissen wollte, ob ich etwas von David gehört hatte. Nein, hatte ich nicht. Und ich bat sie inständig, diesen Namen mir gegenüber nicht mehr zu erwähnen. Die Antwort war ein langer, tiefer Seufzer.
    Aber nicht nur meine Mutter erkundigt sich gefühlte zehnmal am Tag nach David – trotz Maulkorb. Auch Olli und Lissy rufen täglich deswegen an. Und jedes Mal darf ich mir eine Standpauke wegen meines unangemessenen Verhaltens David gegenüber anhören. Ja, besten Dank auch. Gebt mir ruhig alle die Schuld. Ich fühle mich noch nicht mies genug.
    Als Lissy mir dann wenige Tage später genüsslich mitteilte, dass David Olli bei einem Bier erzählt hatte, dass er nie im Leben was mit Cora angefangen hätte und ihr das deutlich zu verstehen gegeben habe, erreichte mein schlechtes Gewissen einen neuerlichen Höhepunkt. »Cora hat bestimmt Gift und Galle gesprüht. Sie ist dann mit ihrem tollen Manager nach Hamburg, um endlich groß rauszukommen«, berichtete Lissy mit hörbar ironischem Unterton. »Dabei hat sie sich so viel Mühe gegeben, sich bei David einzuschmeicheln, damit er seine alten Kontakte spielen lässt. Und dann lässt er sie einfach abblitzen, weil er dich lieber mag. Köstlich.«
    Na gut, das halte ich für ein Gerücht. Denn nach wie vor ist nicht ganz klar, woran ich bei David eigentlich bin. Nicht, dass ich darüber sonderlich nachgedacht habe. Nur etwa gefühlte vierundzwanzig Stunden am Tag.
    Ich habe wirklich geglaubt, dass der Abstand zu Wismar und vor allem zu David und der ganzen verfahrenen Situation mir guttun würde, aber genau das Gegenteil ist der Fall. Je öfter ich mit Lissy und Olli oder meinen Eltern telefoniere, umso häufiger muss ich an David denken. Ich bin emotional total von der Rolle und mit allem überfordert. Auch deswegen will ich das Projekt Abschluss entschlossen
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