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Zuckerguss (German Edition)

Zuckerguss (German Edition)

Titel: Zuckerguss (German Edition)
Autoren: Anica Schriever
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entnervt die Augen. Moritz’ Frauenverschleiß bietet nicht zum ersten Mal Diskussionsstoff. Normalerweise reagiere ich auf den ausgeprägten männlichen Jagdinstinkt meines Mitbewohners relativ gelassen. Frei nach dem Motto: leben und leben lassen. Ich habe mich inzwischen sogar weitestgehend damit arrangiert, jeden Morgen einer neuen Eroberung vor der Badezimmertür zu begegnen. Was bleibt einem auch anderes übrig, wenn man mit jemandem wie Moritz zusammenwohnt, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, jede Nacht ein anderes Betthäschen abzuschleppen? Das heißt jedoch nicht, dass ich es gutheiße. Im Gegenteil. An Tagen wie diesen möchte ich Moritz schütteln.
    »Du musst zugeben, sie sah scharf aus. Diese endlos langen Beine. Dieser süße rote Pagenkopf …«
    Instinktiv halte ich mir die Ohren zu. Zu viel Information. »Wegen eurem lautstarken Matratzensport musste ich mich heute Nacht wiederholt mit Linkin Park beschallen.«
    »Du übertreibst maßlos.«
    Mir liegt bereits der Satz »Beim nächsten Mal mache ich einen Livemitschnitt« auf der Zunge, verkneife ihn mir aber rechtzeitig. Wer weiß, auf was für Ideen ich meinen Mitbewohner damit bringe. Am Ende steht er mit einer Videokamera in der Dusche und filmt mich und meinen grausamen Singsang. Und schickt es womöglich zum nächsten DSDS -Casting. Ogottogott.
    »Dann schmeiß sie beim nächsten Mal selber raus!«
    »Wo du gerade wach warst …« Moritz grinst spitzbübisch. Er findet das wie so oft wahnsinnig komisch.
    »Wer bin ich? Deine Mutter?« Ich werfe die obligatorischen vier Stück Zucker in meinen Tee. »Wenn du ein Date anschleppst, befördere es morgens gefälligst auch alleine aus unserer Wohnung. Oder verabrede dich zur Abwechslung ein zweites Mal mit der Frau.«
    »Warum?«
    Ich hole tief Luft. »Um eine emotionale Bindung aufzubauen.«
    Moritz lehnt sich zurück und verschränkt die Arme hinter dem Kopf. »Wo hast du denn den Blödsinn her? Aus einer deiner Frauenzeitschriften ?« Er verzieht angewidert das Gesicht.
    »Der überwiegende Teil der menschlichen Bevölkerung findet es durchaus anziehend, wenn –«
    »Wohl eher der weibliche Teil«, korrigiert mich Moritz verächtlich, »denn welcher Mann will eine emotionale Bindung , wenn er auch so seinen Spaß haben kann. Und bevor du dich jetzt über meine chauvinistische Ader aufregst: Beschwert hat sich bei mir bisher keine deiner Geschlechtsgenossinnen. Glaub mir, Sex ohne Verpflichtungen kann befreiend sein. Solltest du zur Abwechslung vielleicht mal probieren.«
    »Mensch, Moritz, du bist manchmal echt ein selbstverliebtes Arschloch!«
    »Ich bevorzuge die Bezeichnung Realist.«
    In Momenten wie diesen frage ich mich, wieso ich mit jemandem wie Moritz befreundet bin. Zugegeben, er hat nicht ganz unrecht. Ich bin ohnehin die Letzte, die fundierte Kenntnisse im Bereich One-Night-Stand vorweisen kann. Aber unverbindlicher Sex und am nächsten Morgen dann bye-bye kann auf Dauer doch nicht das Nonplusultra sein.
    Na ja, möglicherweise habe ich schlicht total veraltete Spießeransichten. Schließlich zwingt Moritz weder die Frauen zum Sex noch macht er ihnen irgendwelche Versprechungen. Sie wollen es, ohne Rücksicht auf Verluste. Schmeißen sich ihm an den Hals, schwirren um ihn herum wie die Motten ums Licht. Alles nur, um ein einziges Mal in den Genuss zu kommen, mit Moritz Sex zu haben. In ganz Hannover dürfte es außer mir bald kein weibliches Wesen mehr geben, mit dem er noch nicht im Bett war. Nicht, dass ich das Verlangen danach hätte. Um Himmels willen, nein!
    Moritz runzelt die Stirn. »Bist du jetzt sauer?«
    »Quatsch!«
    »Wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass dem nicht so ist? Ach richtig, das ist bei euch genetisch veranlagt.«
    »Haha.« Ich versuche nicht zu lächeln, aber es gelingt mir nicht ganz. Irgendwie kann ich Moritz nie lange böse sein. Schon gar nicht, wenn er diesen treudoofen Hundeblick aufsetzt.
    Er gießt sich eine Tasse seines eigenhändig aufgebrühten Kaffees ein. Das tiefschwarze Gesöff steht beinahe in der Tasse. Herzanfälle garantiert. »Apropos, wie ist es gelaufen mit – wie heißt dein Prof noch?«
    »Eberhard Hartmann-Steinfeldt.«
    »Mit dem Namen könnte er –«
    »Moritz, ich will es nicht wissen!«, fahre ich ihn scharf an.
    »Wie auch immer«, winkt Moritz ab. »Deinem Gesichtsausdruck nach scheint alles glattgegangen zu sein.«
    »Stimmt.« Ich grinse übers ganze Gesicht. »Vorhin habe ich meinen letzten Schein
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