Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe
Autoren: Daniela Larcher
Vom Netzwerk:
Dann bis morgen. Richte Valerie schöne Grüße von mir aus. Ich hoffe, sie weiß, was sie an dir hat«, sagte Capelli hörbar erleichtert und legte auf.
    »Anscheinend nicht«, murmelte Morell und schob sich ein großes Stück Schokolade in den Mund.
     
    »Robert, ich muss kurz mit dir reden.« Morell hatte seinen Bauch zurück in die Hose gequetscht und war ins Vorzimmer gegangen, wo Bender heimlich vom konfiszierten Marmorkuchen naschte. »Ich müsste mal für ein paar Tage verreisen.«
    Ein Lächeln trat auf das Gesicht des jungen Inspektors. Morell kam endlich aus seinem Loch gekrochen und ging wieder unter Leute. Anscheinend wirkte das Johanniskraut doch. »Das ist ja super! Wohin geht die Reise denn?«
    »Ich muss nach Wien, um Lorentz aus der Patsche zu helfen. Glaubst du, dass du hier ein paar Tage ohne mich klarkommst?«
    Bender nickte euphorisch. Endlich würde er zeigen können, was in ihm steckte. »Natürlich, Chef. Mit dem entlaufenen Hund von Frau Hämmerle und dem gestohlenen Blumentopf von Frau Schubert komme ich schon allein zurecht.«
    »Äh, da wäre allerdings noch etwas«, druckste Morell herum. »Würdest du dir auch zutrauen, während dieser Zeit nach Fred und meinen Pflanzen zu sehen?«
    »Aber klar doch, Chef. Kein Problem.« Bender hätte in diesem Moment alles zugesagt, nur um seinen Vorgesetzten loszuwerden.
    »Gut, dann fahre ich jetzt heim, um alles für die Reise vorzubereiten. Es wäre prima, wenn du am Abend bei mir zu Hause vorbeikommen könntest, damit ich dir alles genau erklären kann.«
     
    Eigentlich war es von der Inspektion zu Morells Haus nur ein kurzer Fußmarsch von ungefähr fünf Minuten, doch der Chefinspektor hatte die schlechte Angewohnheit, auch kürzeste Strecken mit dem Auto zu fahren. Er nahm sich schon seit Jahren fest vor, den Wagen gegen ein Fahrrad zu tauschen, aber bisher war es bei den guten Vorsätzen geblieben.
    Morell kurbelte die Fensterscheibe ein wenig nach unten und ließ sich die kühle Luft um die Nase wehen. Er mochte den Herbst. Er verband ihn mit raschelndem Laub, Kürbiscremesuppe, gebratenen Maiskolben und Rotkraut. Die Jahreszeit war wunderschön hier auf dem Land. Am Morgen glitzerte der Tau in den Spinnweben, die wie Fäden aus purem Silber glänzten, der Ausblick auf die majestätischen Berge war so klar wie selten, die üppigen Wälder färbten sich bunt, und auf Wiesen und in Gärten erstrahlten Herbstanemonen, Dahlien und Astern in voller Pracht. Hier konnte man so richtig die Seele baumeln lassen – ganz im Gegensatz zu Wien. Dort war es laut, grau und dreckig, und die Luft stank nach menschlichen Ausdünstungen und Abgasen.
    Aber es war nicht nur die Stadt, die Morell damals aufs Gemüt geschlagen war. Der anstrengende Alltag, die Gewaltverbrechen und all die anderen schrecklichen Dinge, mit denen er als Kriminalbeamter ständig zu tun hatte, waren zu hart für ihn gewesen. Nach dem Tod seiner Eltern hatte er daher beschlossen, die Karriere an den Nagel zu hängen, das große, zweistöckige Haus mit der strahlend weißen Fassade und den Blumenkästen vor den Fenstern zu übernehmen und in seinem Heimatdorf Landau ein gemütliches Beamtendasein zu führen.
    Er liebte diese kleine, heile Welt. Natürlich gab es auch hier manchmal Ärger, aber der beschränkte sich auf Kneipenschlägereien oder Verkehrsdelikte. Die Mordserie, die ganz Landau im letzten Winter erschüttert hatte, war zum Glück nur eine furchtbare Ausnahme gewesen. Sie hatte ihn und sein Leben für einige Zeit ins absolute Chaos gestürzt, und es hatte lange gedauert, bis endlich wieder Ruhe eingekehrt war. Morell seufzte. Er vermisste diesen Frieden jetzt schon.
     
    Wie versprochen kam Bender abends bei Morell vorbei, um sich in die hohe Kunst der Katzen- und Blumenpflege einweihen zu lassen. Der junge Inspektor war sich durchaus im Klaren gewesen, dass sein Vorgesetzter ein Pflanzenfanatiker war, aber womit er nun konfrontiert wurde, damit hatte er nicht gerechnet. Überall im Haus gab es Blumen, Palmen, kleine Bäume, Stauden und anderes Grünzeug. Und das war längst nicht alles – Morell war stolzer Besitzer eines riesigen Gartens und eines Gewächshauses. Und als wäre das nicht alles schon Arbeit genug, benötigte anscheinend jede Pflanze eine andere Art von Pflege.
    »Das hier sind meine Orangenbäumchen. Bitte achte darauf, dass ihre Erde immer ein bisschen feucht ist, aber bitte nimm kein Wasser aus der Leitung, das ist zu kalkhaltig. Der Zimmerahorn muss
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher