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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe
Autoren: Daniela Larcher
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und Süßigkeiten in sich hineinstopfte, obwohl seine Uniform an allen Ecken und Enden spannte. Er würde nicht zulassen, dass sein ansonsten blitzgescheiter und scharfsinniger Chef immer mehr in Selbstmitleid versank und sich dadurch selbst zugrunde richtete. Bender hatte deshalb bereits vor einer Woche beschlossen zu handeln und war in die Apotheke gegangen, wo ihm Johanniskraut als natürliches Heilmittel gegen Depressionen empfohlen worden war. Seitdem mischte er täglich heimlich ein paar Tropfen davon in den Tee seines Chefs.
    »Danke, Robert.« Morell pustete und nahm vorsichtig einen Schluck.
    »Kommen Sie, wir gehen ein bisschen raus und suchen den entlaufenen Hund von Frau Hämmerle. Ein wenig frische Luft und Sonnenschein werden Ihnen guttun.«
    Anscheinend zeigte das Johanniskraut noch keine Wirkung, denn Morell schüttelte nur den Kopf. »Ich bin grad gar nicht in der Stimmung. Geh du nur allein.«
    Bender schielte besorgt auf den überdimensionalen Bauch seines Chefs und das Kuchenstück in dessen Hand. »Dr. Levi hat mich gebeten, Sie an Ihr Gewicht und Ihre Cholesterinwerte zu erinnern. Sie sollen nicht so viel Süßes und Fettes essen, sonst riskieren Sie einen Schlaganfall oder einen Herzinfarkt.«
    »Sag Dr. Levi, er soll sich um seinen eigenen Kram scheren.« Morell grummelte. Er wusste, dass der Gemeindearzt recht hatte, aber er konnte sich momentan beim besten Willen nicht auch noch mit der Bürde einer Diät belasten.
    Bender wollte gerade resigniert das Büro verlassen, als Morells Telefon läutete. Während sich der Chefinspektor zur Seite drehte und zum Hörer griff, nutzte sein Assistent die Gelegenheit, um sich den Teller zu schnappen und samt Kuchen aus dem Zimmer zu verschwinden. Wenn Morell sich weigerte, auf seine Gesundheit zu achten, dann musste er ihn zu seinem Glück einfach zwingen.
     
    »Servus, Otto, hier ist Nina. Ich bin ja so froh, dass ich dich erreiche!« Nina Capelli und Otto Morell hatten sich letztes Jahr im Dezember kennengelernt, als das idyllische Landau durch eine Mordserie erschüttert und sie dem Fall als zuständige Gerichtsmedizinerin zugeteilt worden war.
    »Nina? Na, das ist aber eine Überraschung. Wie geht es dir?« Morell öffnete die Schublade, in der er seine Süßigkeiten bunkerte, nahm eine Tafel Nuss-Nougat-Schokolade heraus und nestelte an der Verpackung herum.
    »Leider nicht so gut. Ich brauche dringend deine Hilfe.« Die Verzweiflung, die in ihrer Stimme mitschwang, ließ keinen Zweifel daran, dass es sich um einen Notfall handelte.
    Morell legte die Schokolade beiseite und setzte sich aufrecht hin. »Ich bin ganz Ohr. Was ist passiert?«
    Capelli erzählte, was geschehen war. »Könntest du vielleicht nach Wien kommen?«, bat sie schließlich.
    Morell überlegte. Er konnte Wien nicht ausstehen und hatte absolut keine Lust, in die Bundeshauptstadt zu fahren, andererseits konnte er seine Freunde nicht einfach so hängenlassen. »Hmmm …«, sinnierte er.
    »Bitte, Otto, du bist der einzige Mensch, den ich kenne, der genau weiß, wie so eine Mordermittlung abläuft. Außerdem kennst du vielleicht sogar die zuständigen Polizisten vor Ort.«
    Der korpulente Chefinspektor war früher als Kripobeamter in Wien tätig gewesen, hatte aber irgendwann die Nase gestrichen voll von all dem Großstadtrummel gehabt und war daher samt seinem dicken Kater Fred zurück in seinen Heimatort Landau gezogen.
    Morell kratzte sich am Kinn. »Ich werde mal mit Bender reden. Wenn er es sich zutraut, die Inspektion alleine zu verwalten, dann werde ich kommen. Bleibt nur die Frage, wer sich dann um Fred und meine Pflanzen kümmert.«
    »Aber das kann doch Valerie machen!«
    Der Chefinspektor spürte ein Ziehen in der Brust, als Nina den Namen seiner zukünftigen Exfreundin aussprach, und griff nach der Schokolade. Wahrscheinlich tat ihm ein wenig Abstand von Landau ganz gut. »Natürlich«, sagte er wolkig, da er nicht über seine Verflossene sprechen wollte. »Also gut, ich werde kommen.«
    »Danke, du bist ein Schatz. Hör zu, ich würde dich ja sofort abholen, aber ich kann meinen Autoschlüssel nicht finden. Außerdem muss ich mich hier noch um die ganzen Umzugssachen kümmern. Ist es okay für dich, wenn wir uns in Wien treffen?«
    Morell, der sich nur mit Grauen an die Fahrkünste der Gerichtsmedizinerin und an die beengten Verhältnisse in ihrem kleinen Ford erinnerte, nickte. »Kein Problem. Ich werde den ersten Zug morgen früh nehmen.«
    »Du bist der Beste!
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