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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe
Autoren: Daniela Larcher
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gegenseitig an und blickten dann wieder zu Lorentz.
    »Wir sind gekommen …«, versuchte Weber es erneut.
    »Ich habe gestern gemeinsam mit zwei Freunden ein Sofa und ein paar Kartons hochgetragen. Kann sein, dass es ein bisschen gerumpelt hat, aber das ist doch normal, wenn man umzieht.« Lorentz trat einen Schritt zur Seite und gab den Blick auf ein Chaos bestehend aus Kisten, Koffern, Plastiktüten und Werkzeugen frei.
    Die Beamten schauten immer noch etwas irritiert. »Wie lange haben Sie und Ihre Freunde denn herumgerumpelt?«, wollte Wojnar wissen.
    Lorentz überlegte. »Ich weiß nicht genau. Ich schätze mal bis zehn.«
    »Und danach?«
    »Danach bin ich kurz in die Uni gefahren, habe dort ein paar Unterlagen geholt und bin dann ins Bett gegangen. Ruhiger geht es also kaum.«
    »Gibt es jemanden, der Ihre Angaben bestätigen kann?«
    Lorentz kam die Situation langsam ein wenig spanisch vor. »So ein Drama wegen ein paar Umzugsgeräuschen?«
    »Ich habe keinen blassen Schimmer, wovon Sie reden, Herr Lorentz«, sagte Weber. »Wir sind hier, weil Professor Vitus Novak gestern Nacht ermordet wurde.«
    Lorentz riss die Augen auf und rang nach Luft. »Novak?«, fragte er ungläubig, als er sich wieder etwas gefangen hatte. »Ermordet?! Aber das kann doch nicht sein!«
    »Doch, es kann.«
    Langsam fiel bei Lorentz der Groschen. »Aber … Sie denken doch wohl nicht, dass ich etwas damit zu tun habe?«
    »O doch, das tun wir. Es gibt Zeugen, die sagen, dass Sie und das Opfer in letzter Zeit ziemlich viele Unstimmigkeiten hatten. Außerdem sind Sie dabei beobachtet worden, wie Sie gestern Nacht den Tatort verlassen und dabei etwas mit sich geschleppt haben. Das ist schon sehr verdächtig – oder wollen Sie mir erzählen, dass Sie sich öfters mitten in der Nacht schwer bepackt im Archäologischen Institut herumtreiben?« Weber fixierte den jungen Archäologen, ohne dabei eine Miene zu verziehen.
    »Schei…« Lorentz biss sich auf die Unterlippe und betrachtete seine Hände. »Ja, es stimmt – ich war gestern Nacht dort. Professor Novak hatte mir nämlich einige meiner Aufzeichnungen und wichtige Proben gestohlen. Ich bin nur in sein Büro gegangen, um sie mir wiederzuholen. Mit dem Mord habe ich nichts zu tun.«
    »Mehrere Personen haben ausgesagt, dass Sie und der Professor letzte Woche einen heftigen Streit hatten. Ich habe außerdem gehört, dass Herr Novak Ihre Forschungsgelder einfrieren ließ und auch sonst ein ziemliches Hindernis für Ihre Karriere darstellte.«
    »Das stimmt schon, aber deswegen würde ich ihn doch nicht umbringen.«
    Wojnar kratzte sich am Kopf. »Also, wenn das kein Motiv ist. Es gibt Menschen, die würden schon wegen weitaus geringerer Dinge töten.«
    »Andere Menschen vielleicht …«
    »Das wird sich ja noch herausstellen.« Weber schien relativ unbeeindruckt von Lorentz’ Erklärungen zu sein. »Herr Lorentz, Sie sind vorläufig festgenommen. Sie haben das Recht auf einen Anwalt. Sie haben außerdem das Recht, die Aussage zu verweigern. Wenn Sie uns nun bitte begleiten würden.«
    Lorentz schluckte. »Aber das können Sie doch nicht machen …«
    »Kommen Sie jetzt bitte!«
    »Aber …« Lorentz sah sich bereits in Handschellen durchs Treppenhaus geführt. Frau Horsky würde wahrscheinlich zur Feier des Tages eine Flasche Champagner aufmachen. »Ich möchte vorher meinen Anwalt anrufen.«
    Weber überlegte kurz. »Na gut, aber beeilen Sie sich.«
    Lorentz zögerte. Noch nie war er mit dem Gesetz in Konflikt geraten und kannte gar keinen Anwalt.
    Schließlich nahm er den Hörer und wählte.

»Leben heißt kämpfen.
    Ruhe wirst du im Grab haben.«
    Lucius Annaeus Seneca
    Nina Capelli ließ ihren Blick noch einmal durch die Wohnung wandern, aus der sie in weniger als 24 Stunden ausziehen würde. Sie hatte bereits gestern ihre gesamte Habe zusammengepackt und ihr komplettes Zuhause in ein mannshohes Labyrinth aus penibel zugeklebten, braunen Kartons verwandelt. Morgen früh würde der Umzugswagen kommen und ihr sorgfältig verstautes Leben nach Wien bringen.
    Es war erstaunlich, wie riesig die 50-Quadratmeter-Garçonnière ohne Inventar plötzlich wirkte und wie viele längst verloren geglaubte Dinge beim Abbauen der Schränke und Bücherregale wieder aufgetaucht waren: die Bedienungsanleitung für den DVD -Player, ihr Reisepass, den sie schon seit Ewigkeiten suchte, und ein Strass-Ohrring, dessen einsamen Partner sie längst weggeworfen hatte.
    Obwohl sie sich fest
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