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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe
Autoren: Daniela Larcher
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Sie die ganze Nacht durchgefeiert und getrunken.«
    Lorentz kratze sich am Kinn, das ein Dreitagebart zierte. »Ich habe nicht gefeiert und auch nicht getrunken. Zwei Freunde haben mir lediglich dabei geholfen, ein Sofa und ein paar Umzugskisten in die Wohnung zu tragen. Das hat weder die ganze Nacht gedauert, noch haben wir dabei viel Lärm gemacht.«
    »Kommen Sie mir nicht so, junger Mann.« Frau Horsky stemmte ihre Hände in die Hüften. »Sie haben mit Ihrem Sofa und Ihren Kisten so viel Krach gemacht, dass ich schon befürchtet habe, irgendjemand würde das Haus abreißen.«
    Lorentz kniff die Augen zusammen und fixierte seine Nachbarin. Vermutlich hatte die alte Schachtel ihr Hörgerät auf die höchste Stufe geschaltet und dann das Ohr ganz fest an die Wand gepresst. Noch wahrscheinlicher war es aber, dass sie seine Freunde und die Umzugskartons nur gesehen und sich sofort Krach eingebildet hatte – psychosomatische Lärmbelästigung sozusagen. Der Alten war alles recht, wenn sie nur herumnörgeln konnte.
    »Nehmen Sie ab sofort mehr Rücksicht auf Ihre Mitmenschen, Herr Lorentz. Dies ist ein anständiges Haus, und dabei soll es auch bleiben!«
    So langsam war Lorentz das Geschimpfe leid, und er dachte kurz daran, dem lästigen Störenfried einfach die Tür vor der Nase zuzuschlagen – doch dann kamen ihm die Worte seiner Freundin, Nina Capelli, wieder in den Sinn: »Sie sieht nicht gerade sehr gesund aus«, hatte diese nach der ersten Begegnung mit Frau Horsky festgestellt. »Wahrscheinlich wird sie bald sterben, also reiß dich ein bisschen zusammen. Wenn sie tot ist, wird dir jedes böse Wort leidtun.« Da Nina als Gerichtsmedizinerin arbeitete, hatte Lorentz auf ihre Meinung vertraut, und als er seine Nachbarin letzte Woche drei Tage lang nicht zu Gesicht bekommen hatte, hatte er sogar heimlich schon an deren Tür geschnuppert. Der leicht süßliche Geruch, den er voll Freude wahrgenommen hatte, stammte aber anscheinend nur vom Holzlack, denn das Zankeisen weilte ja ganz offensichtlich immer noch unter den Lebenden. Es waren immer die netten Omas, die zu früh das Zeitliche segneten. Die bösen Keifen schienen ewig zu leben.
    Lorentz schaltete sein Hirn auf Durchzug und nickte. »Ja«, sagte er alle paar Sekunden. »Natürlich. Sie haben völlig recht. Verzeihung.« Das machte er so lange, bis sie aufhörte zu reden.
    »Dann sind wir uns ja einig«, stellte Frau Horsky fest.
    »Aber natürlich«, antwortete Lorentz, ohne die geringste Ahnung zu haben, worüber die alte Frau in den letzten paar Minuten geredet hatte. »Ich muss mich jetzt wieder an die Arbeit machen. Bitte entschuldigen Sie mich.« Er schloss die Tür und schüttelte den Kopf. Von wegen, sie wird bald sterben – dieses fürchterliche Weib würde mit ziemlicher Sicherheit auch noch den nächsten Jahrhundertwechsel erleben.
     
    Lorentz sah sich um und seufzte. Morgen würde Nina zurückkommen. Sie war die beiden letzten Wochen in Innsbruck gewesen, um ihre Wohnung aufzulösen und ihren Nachfolger einzuarbeiten. Leander hatte versprochen, dass bis zu ihrer Rückkehr alles halbwegs bewohnbar sein würde, doch davon war er noch meilenweit entfernt.
    Er krempelte gerade die Hemdsärmel hoch, als es schon wieder an der Tür klingelte. Was war denn jetzt schon wieder? Hatte Frau Horsky ihn heute nicht schon genug gequält? Musste er sich jetzt noch einem weiteren Anfall von Altersbosheit aussetzen?
    Es läutete ein zweites Mal. Lorentz holte tief Luft und war sich plötzlich nicht mehr sicher, ob er es schaffen würde, Ruhe zu bewahren.
    »Ja?!« Er riss die Tür auf.
    Anstatt in das altersfleckige Gesicht der Furunkel-Furie blickte Lorentz in die Visagen von zwei fremden Männern. Der eine hatte volles, blondes Haar, trug eine moderne, ziemlich teuer wirkende Lederjacke und roch nach Aftershave. Der andere war etwas größer als sein Kollege, weniger gepflegt und nicht so kostspielig gekleidet.
    »Dr. Leander Lorentz?«
    Lorentz nickte.
    »Ich bin Chefinspektor Roman Weber, und das ist mein Kollege Theodor Wojnar.« Der Kleinere von den beiden hielt Lorentz seine Marke vor die Nase.
    So war das also, dachte Lorentz und schielte zur Tür von Frau Horsky. Die alte Hexe fuhr also jetzt die großen Geschütze auf. Das würde er ihr heimzahlen! Mit dieser Aktion hatte sie den Greisenbonus verspielt.
    »Wir sind …«, setzte Weber an.
    »Wir waren nicht laut. Ich habe Zeugen«, unterbrach Lorentz ihn.
    Die beiden Polizisten schauten sich
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