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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe
Autoren: Daniela Larcher
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und …«
    »Von der Polizei? Aber was hatte die Theresia denn mit der Polizei zu tun?« Sie starrte Morell mit großen, wässrig blauen Augen an.
    Morell zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es ehrlich gesagt selber nicht. Es ist nur so, dass ich derzeit in einem Fall ermittle, der viele Jahre in die Vergangenheit zurückreicht, und ich hatte gehofft, dass Ihre Schwester mir vielleicht dabei weiterhelfen könnte. Darf ich fragen, woran Theresia gestorben ist?«
    Die Frau nickte. »Kommen Sie doch herein«, sagte sie. »Ich habe gerade einen Kaffee gemacht.«
    Morell folgte ihr in eine kleine, ärmlich eingerichtete, aber blitzsaubere Wohnung und setzte sich im Wohnzimmer auf eine mit einer rosaroten Häkeldecke überzogene Couch.
    »Theresia hatte vor zehn Jahren einen Schlaganfall erlitten und war seitdem ein Pflegefall.« Die Frau hatte aus der Küche eine Kanne mit Filterkaffee geholt und schenkte Morell nun eine Tasse davon ein. »Ich habe mich, so gut es mir möglich war, um sie gekümmert. Vor zwei Monaten ist sie dann gestorben.« Sie versuchte, ein Lächeln aufzusetzen, was ihr aber nicht wirklich gelang.
    »Das tut mir so leid.« Morell nahm einen Schluck von dem Kaffee und versuchte, sich nicht anmerken zu lassen, wie schlecht er schmeckte.
    »Das muss es nicht. Es war das Beste so. Brauchen Sie Milch oder Zucker?«
    Morell verneinte. »Ihre Schwester war doch in den 70er Jahren mit Gustaf Harr zusammen. Können Sie mir etwas darüber erzählen?«
    Die Augen der alten Frau wurden leicht feucht, als sie sich erinnerte. »Ach ja, der Gustaf. Über den ist sie nie hinweggekommen. Auf einer Ausgrabung im Ausland hat er eine andere Frau kennengelernt und die Theresia schwanger hier in Wien sitzenlassen. Meine arme, naive Schwester wollte das zeit ihres Lebens nicht wahrhaben. Sie hat ständig behauptet, dass es eine Verschwörung gäbe, dass der Gustaf entführt oder vielleicht sogar getötet worden sei.« Sie schüttelte den Kopf und seufzte. »Erst dachte ich, dass diese Hysterie und Realitätsverweigerung an den Schwangerschaftshormonen liegen müsse, aber sogar als der kleine Moritz dann da war, hat sie nicht damit aufgehört.«
    Morell spürte, wie seine Sinne plötzlich hellwach waren. Er hatte richtig vermutet: Moritz Langthaler war der Sohn von Gustaf Harr und Theresia Langthaler. Die Lösung lag zum Greifen nah.
    »Sie konnte einfach nicht glauben, dass der Gustaf sie hat sitzenlassen«, redete Theresia Langthalers Schwester weiter. »Ich habe tausendmal versucht, ihr zu erklären, dass Männer nun mal so sind. Ich habe ihr gesagt, dass sie nicht die Erste und auch nicht die Letzte sei, die samt Kind von einem Mistkerl verlassen wurde.« Sie strich sich eine Strähne ihres bläulichen Haars aus dem Gesicht. »Nicht mein Gustaf, hat die Theresia immer gesagt. Mein Gustaf würde so was nie tun. Aber was soll ich sagen – er hat es halt doch gemacht.«
    »Hat Ihre Schwester denn nie die Polizei eingeschaltet?«
    Die alte Frau winkte ab. »Überall war sie. Aber keiner hat ihr geglaubt. Sie war bei seinen Arbeitskollegen, seinem Arbeitgeber, bei der Polizei – ja sogar nach Syrien ist sie gefahren. Ein Drama war das. Ihren Job hat sie deswegen aufgegeben, ihr ganzes Erspartes zum Fenster rausgeschmissen, Schulden hat sie deswegen gemacht und das Kind vernachlässigt – der arme, kleine Moritz musste sogar lange Jahre in einer Pflegefamilie leben. Dem armen Wicht haben die Eltern so sehr gefehlt – er ist sogar Archäologe geworden, nur um dem verschollenen Vater näherzukommen.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich will gar nimmer daran denken. So eine Tragödie – und das alles nur wegen einem selbstsüchtigen Mannsbild.«
     
    Nach seinem Besuch bei Theresia Langthalers Schwester war Morell sehr nachdenklich geworden. Das Gespräch hatte nur noch mehr Fragen aufgeworfen. Wer konnte ein Interesse daran haben, die Grabungsteilnehmer zu töten? Der Einzige, der ein starkes Motiv hatte, war Moritz Langthaler – Novak, Meinrad, Uhl und Nagy hatten immerhin seinen Vater auf dem Gewissen und damit indirekt seine Kindheit ruiniert. Doch wer konnte etwas gegen Langthaler haben? Warum sollte er ausgeschaltet werden?
    Als Morell nach Hause kam, stand Capelli gerade auf einer Leiter und strich die Decke im Flur gelb an.
    »Hallo, Otto, da bist du ja«, sagte sie. »Wo bist du denn gewesen?«
    »Frag nicht«, winkte Morell ab. »Ich bin gerade ziemlich verwirrt. Der ganze Fall wird von Mal zu Mal
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