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Zu Grabe

Zu Grabe

Titel: Zu Grabe
Autoren: Daniela Larcher
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haben?
    Nervös ging Morell auf und ab. So richtig konnte er sich seine unruhige Stimmung nicht erklären. Eigentlich hatte er doch alles erreicht, was er hatte erreichen wollen: Weber war endlich auf der richtigen Fährte, und Lorentz würde nun bald aus dem Gefängnis entlassen werden. Morell wusste, dass hinter der bornierten Fassade seines Exkollegen im Grunde ein fähiger Polizist steckte, und war sich deshalb sicher, dass Weber und Wojnar den Fall nun bald gelöst haben würden. Oder? Was wenn nicht?
    Morell versuchte sich abzulenken, indem er bei Bender anrief. Dieser hob nicht ab, also hinterließ er ihm eine Nachricht auf der Mobilbox: »Hallo Robert, hier spricht Morell. Ich wollte mich eigentlich nur kurz erkundigen, wie es in Landau läuft, und dir sagen, dass ich sehr wahrscheinlich in den nächsten Tagen zurückkommen werde.«
    Er legte auf, dachte noch einmal über den Fall nach und spürte dabei, wie ein Gefühl in ihm hochstieg, das er so schon lange nicht mehr gehabt hatte: Er hatte Blut geleckt. Er spürte Ehrgeiz, Neugier und den Drang zu handeln. Er war bereits so weit gekommen, jetzt wollte er es auch zu Ende bringen. »Warum nicht«, sagte er zu sich selbst und rief erneut bei Wojnar an. »Hallo, Theo. Ist die Liste der Krankenschwestern schon bei dir eingetroffen?«
    »Ja, aber ich bin noch nicht dazugekommen, sie mir anzuschauen – hier ist nämlich gerade die Hölle los. Roman hat, ungern, aber doch, eingesehen, dass er einen Fehler gemacht hat, und macht darum jetzt doppelt so viel Stress wie normalerweise. Sei froh, dass du nicht hier sein musst.«
    »Wenn du magst, kann ich mir die Liste vornehmen. Ich kann momentan sowieso an nichts anderes denken.«
    »Klar. Warum nicht? Gib mir deine E-Mail-Adresse, dann schicke ich sie dir.«
    »Danke für dein Vertrauen, Theo.«
    »Kein Problem, Otto. Wir ziehen ja am selben Strang.«
     
    Nur wenige Augenblicke später kündigte ein lautes Piepsen den Eingang einer E-Mail an. Morell nippte an einer Tasse Tee, die er frisch aufgebrüht hatte, und kratzte sich am Kopf. Das waren ganz schön viele Krankenschwestern.
    Er scrollte die Liste hinunter und achtete neben Theresia auch auf andere Formen des Vornamens wie Theresa oder Thea. Weder auf der ersten noch der zweiten Seite wurde er fündig, doch dann blieb sein Blick an einem Namen hängen: Theresia Langthaler.
    Morell nahm einen großen Schluck Tee und lehnte sich zurück. Theresia Langthaler – das konnte doch kein Zufall sein. Er schaute sich ihr Geburtsdatum an und rechnete: 1978 war sie 29 Jahre alt gewesen – das passte perfekt ins Bild. Aber was hatte sie mit dem letzten Opfer, Moritz Langthaler, zu tun? Er überlegte. Wie alt Moritz Langthaler wohl war? Er schätzte ihn auf Anfang bis Mitte dreißig. War Moritz Langthaler etwa der Sohn von Gustaf Harr und Theresia Langthaler? Er musste unbedingt mit ihr reden.
    Im Telefonbuch fand sich keine Theresia Langthaler, aber auf Wojnars Liste war ihre letzte bekannte Adresse angegeben. »Besser als nichts«, sagte er sich und machte sich auf den Weg.
     
    Eine halbe Stunde später stand der Chefinspektor vor einer großen, etwas schäbigen Gemeindebauanlage und spürte, wie sein Herzschlag sich beschleunigte: Auf einem der Klingelschilder stand tatsächlich der Name Langthaler. Seine Hände wurden leicht schwitzig, als er anläutete. Vielleicht konnte er den Fall ja wirklich lösen. Hier und jetzt.
    »Grüß Gott, mein Name ist Otto Morell, und ich bin auf der Suche nach Theresia Langthaler«, erklärte er der blechernen Stimme, die aus der Gegensprechanlage ertönte.
    »Erster Stock«, sagte die Stimme, gefolgt vom Summen des Türöffners.
    Als Morell im ersten Stock ankam, stand bereits eine kleine dürre Frau, die einen geblümten Kittel trug, in einer der Türen und musterte ihn mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck. »Sie sind auf der Suche nach der Theresia?«
    »Ja«, antwortete Morell. »Lebt sie hier?«
    Die Frau schüttelte den Kopf und brachte dabei ihr schlohweißes Haar, das einen leichten Blaustich hatte, in Wallung. »Nein, meine Schwester, also die Theresia, ist tot.«
    Morells Aufregung schlug in pure Enttäuschung um. »Tot?«
    »Ja, sie ist vor zwei Monaten gestorben. Haben Sie das nicht gewusst?«
    »Nein. Das tut mir sehr leid.« Morell war verstört. Was war geschehen? War auch sie ermordet worden?
    »Waren Sie ein Freund von ihr?«, unterbrach die Frau Morells Gedanken.
    »Ich … ähm … nein. Ich bin Polizist
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