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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich
Autoren: Sarah Dessen
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D-Hülle um, weil sie die Rückseite lesen wollte. »Mr Mitchell mochte ich nie. Er hat immer auf meine Titten gestarrt, wenn ich an der Tafel stand, um Gleichungen anzuschreiben. Er hat auf sämtliche Titten gestarrt.«
    »Wir gehen aber nicht mehr zur Schule, Lissa«, sagte ich. »Außerdem zählen Lehrer nicht.«
    »Ich sag ja bloß«, antwortete sie.
    »Das Problem ist, wir haben schon Sommer.« Langsam und sorgfältig zog ich die Konturen meiner Lippen mit Liner nach. »Im September gehe ich von hier weg, aufs College. Und Jonathan   ... ich weiß nicht. Ich habe einfach keine Lust mehr, neben allem anderen auch noch ständig meine Termine mit ihm koordinieren zu müssen. Er lohnt die Mühe nicht, vor allem, wo wir uns sowieso in ein paar Wochen trennen.«
    »Aber vielleicht trennt ihr euch auch nicht.«
    Ich lehnte mich wieder etwas zurück, bewunderte mein Werk und entfernte mit dem Zeigefinger einen kleinen Ausrutscher an meiner Oberlippe. »Wir werden uns trennen«, entgegnete ich. »Wenn ich nach Stanford gehe, will ich mich mit so wenig Altlasten wie mög lich herumschlagen. Keine überflüssigen Bindungen.«
    Sie biss sich auf die Lippen, strich sich eine widerspenstige Haarsträhne hinters Ohr und senkte den Kopf. Ihr Gesicht nahm den verletzten Ausdruck an, den sie seit neuestem immer draufhatte, wenn wir über das Ende der Sommerferien redeten. Lissas Schutzzone waren die acht Wochen, die uns zusammen blieben, bevor wir uns in alle Himmelsrichtungen zerstreuen würden; sie ertrug es nicht, über diesen Zeitraum hinaus zu denken. »Natürlich nicht«, meinte sie. »Warum solltest du?«
    Ich seufzte. »Dich habe ich nicht gemeint, Lissa. Und das weißt du auch. Ich will doch nur sagen   ...« Ich deutete zur Tür, die einen Spalt offen stand; jenseits der Tür hörten wir das Schreibmaschinengeklapper meiner Mutter, unterlegt von schwebenden Geigenklängen. »Du verstehst schon, was ich meine.«
    Sie nickte. Aber ich wusste, dass sie es nicht verstand.Lissa war die Einzige von uns, der es Leid tat, dass die Schule vorbei war. Wir drei anderen waren heilfroh, nur Lissa hatte bei der Abschlussveranstaltung geheult   – echte, bebende, laute Schluchzer. Was im Endeffekt natürlich dazu führte, dass sie auf jedem Foto, jedem Video rote Augen, ein fleckiges Gesicht und somit einen guten Grund zu nörgeln hatte, und zwar für die nächsten zwanzig Jahre. Ich, Jess und Chloe dagegen hatten es kaum erwarten können, aufs Podium zu steigen, unsere Abschlusszeugnisse entgegenzunehmen und frei zu sein, endlich frei. Aber Lissa war schon immer ein bisschen zu sensibel und emotional gewesen. Deswegen hatten wir anderen auch die Tendenz, sie zu beschützen. Und wenn mir irgendetwas Sorgen machte, dann am ehesten Lissa. Sie allein zurückzulassen. Sie hatte ein Vollstipendium für das College in unserer Stadt bekommen   – eine Chance, die man nicht sausen lassen konnte. Zum Glück würde ihr Freund, Adam, auf dasselbe College gehen. Lissa hatte schon alles genau durchgeplant: wie sie zusammen die Einführungsveranstaltungen und Seminare besuchen, in benachbarten Studentenwohnheimen leben würden und so weiter. Alles wie zu Schulzeiten, nur in groß.
    Mir wurde schon bei der bloßen Vorstellung ganz übel. Aber ich war auch nicht Lissa. Ich hatte die letzten zwei Jahre nur aus einem Grund voll durchgepowert, ein einziges Ziel vor Augen: endlich raus! Nur weg hier! Die Zensuren schaffen, die es mir ermöglichten, mein eigenes Leben zu leben. Keine Hochzeitsorganisationen mehr, keine komplizierten Liebesgeschichten, keine Drehtür, durch die ein Stiefvater nach dem anderen hindurchspazierte. Nur ich und die Zukunft, glücklichvereint. Endlich mal ein Happyend, an das ich glauben konnte   – und wollte.
    Lissa streckte die Hand aus und drehte das Radio lauter; irgendein munterer Popsong mit Lalala-Refrain schwappte durchs Zimmer. Ich öffnete die Tür zu meinem begehbaren Kleiderschrank: Welche Outfit-Optionen hatte ich für den heutigen Abend?
    »Was zieht man denn an, wenn man vorhat jeman den abzuservieren?« Sie drehte eine Locke um ihren Zeigefinger. »Schwarz? Als Zeichen der Trauer? Oder etwas Buntes, Peppiges, um den anderen von seinem Kummer abzulenken? Vielleicht trägst du ja auch günstigerweise Tarnkleidung, dann kannst du dich unauffäl lig verkrümeln, falls die Nachricht schlecht aufgenommen wird.«
    Ich nahm eine schwarze Hose aus dem Schrank, betrachtete sie prüfend. »Ich persönlich würde am
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