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Zu cool für dich

Zu cool für dich

Titel: Zu cool für dich
Autoren: Sarah Dessen
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Rock, die Oldies von heute eben   – im Radio einfach nicht mehr gespielt wurden. Sie gab zwar Kurse in Kreativem Schreiben, doch dabei verdiente sie praktisch nichts. Wir zogen von einem ekelhaften Billigapartment ins nächste, in tristen Wohnanlagen mit verheißungsvollen Namen wie Kiefernpark oder Gartenstadt; es gab allerdings weit und breit weder Kiefern noch Gär ten noch Parks. Damals saß sie zum Schreiben am Küchentisch, meistens abends oder mitten in der Nacht, manchmal aber auch schon nachmittags. Und schon damals bevorzugte sie für ihre Geschichten exotische Schauplätze. Als Recherchematerial besorgte sie sich kostenlose Reisebroschüren oder fischte Ausgaben von
Gourmet
aus dem Altpapier, um darin zu schmökern. Mein Bruder wurde nach dem Lieblingsheiligen meinerMutter benannt, während ich meinen Namen einer kostspieligen Kognakmarke verdanke, deren Anzeige sie in
Harper’s Bazar
gesehen hatte. Während wir unsere Klamotten in Billigläden einkauften und uns von Fertiggerichten ernährten, schlemmten ihre in Dior-Hausanzüge gewandeten Figuren Kaviar mit Champagner. Meine Mutter besaß schon immer ein großes Faible für Glamour, selbst als ihr eigenes Leben noch weit davon entfernt war.
    Es machte sie wahnsinnig, wenn Chris und ich sie bei der Arbeit störten, und das taten wir dauernd. Schließlich entdeckte sie auf dem Flohmarkt einen dieser Perlenvorhänge, den sie an der Küchentür befestigte. Der Vorhang wurde das verabredete Zeichen, das jeder von uns verstand. War er zur Seite gezogen und am Türrahmen befestigt, hieß das: freie Bahn in die Küche. Doch wenn er herunterhing, arbeitete meine Mutter und wir mussten uns anderweitig beschäftigen; außerdem konnten wir gefälligst selbst dafür sorgen, wo und wie wir was zu essen bekamen.
    Als ich klein war, liebte ich es, an dem Vorhang zu stehen, mit den Fingerspitzen über die Perlenschnüre zu fahren und zuzuschauen, wie sie hin und her schwangen. Sie klimperten leise, ganz leise, wie winzige Glöckchen. Hinter dem Vorhang konnte ich meine Mutter beim Schreiben erkennen; aber sie sah dann anders aus, beinahe fremd, wie eine Wahrsagerin oder eine Fee, ein Wesen, das Zauber verbreitete. Was sie ja auch war, doch das begriff ich damals natürlich noch nicht.
    Den meisten Krempel, mit dem unsere schäbigen Apartments damals eingerichtet waren, gibt es nicht mehr; er wurde entweder verschenkt oder wanderte aufden Sperrmüll. Doch der Perlenvorhang begleitete uns immer, bis in unser jetziges Haus   – das Große Neue Haus, wie wir es tauften, als wir einzogen. Meine Mutter hängte ihn als Allererstes auf, noch vor unseren Schulporträts oder ihrem Picasso-Lieblingsdruck im Wohnzimmer. Man konnte den Vorhang zur Seite ziehen und an einem Haken befestigen, so dass man ihn gar nicht mehr sah. Doch jetzt war er heruntergelassen und erfüllte seinen alten Zweck, auch wenn er seine besten Jahre eindeutig hinter sich hatte. Ich trat dichter an die Perlenschnüre heran und spähte hindurch. Meine Mutter tippte wie eine Besessene, ihre Finger flogen über die Tasten. Ich schloss die Augen und lauschte. Es klang wie Musik   – Musik, die ich mein Leben lang gehört, die mein Leben bestimmt hatte, fast noch mehr als
Wiegenlied
. Die unzähligen Male, die sie die Tasten heruntergedrückt hatte, die endlos vielen Buchstaben, Wörter   ... Sachte strich ich mit den Fingern über die Perlen und verfolgte mit den Augen, wie das Bild   – meine Mutter hinter dem Perlenvorhang   – sich kräuselte, als wäre es unter der Wasseroberfläche. Dann verschwamm das Bild ein wenig, lief in kleinen Wellen auseinander, bis es am Ende wieder glatt und vollständig vor mir hing.

Kapitel Zwei
    E s wurde höchste Zeit, Jonathan abzuservieren. »Erklärst du mir noch mal, warum du das jedes Mal so machst?«, bat Lissa mich. Sie saß auf meinem Bett, sichtete meine CDs und rauchte eine Zigarette. Sie hatte zwar geschworen, man würde nichts merken, weil sie die Zigarette zwischen den Zügen aus dem Fenster hielt. Doch natürlich stank mein Zimmer bereits jetzt nach Rauch, und das hatte ich schon gehasst, als ich selbst noch rauchte. Aber so war es einfach, ich ließ Lissa immer einen Tick zu viel durchgehen. Ich glaube, jeder Mensch hat mindestens einen Freund, bei dem das so ist.
    »Ich meine, warum eigentlich? Ich mag Jonathan.«
    »Du magst jeden.« Ich beugte mich zum Spiegel, um meinen Lippenstift zu inspizieren.
    »Ist gar nicht wahr.« Sie drehte eine C
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