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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
Autoren: Stephan Ludwig
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Stirn. Sie war ungefähr fünfzehn, kaute einen Schokoriegel und ließ sich mit einem heftigen Schnaufen neben Schröder auf die Bank sinken. Er murmelte einen Gruß und warf ihr einen kurzen Blick zu. Auf ihrem rechten Oberarm erkannte er ein Tattoo, das von einem schiefen Herz umrahmt wurde: Enrico 4ever! war dort mit ungelenker Hand eingestochen worden.
    Sie wickelte den Riegel aus, nahm einen letzten Bissen und warf das Papier auf die Erde, wo es direkt zu Schröders Füßen landete.
    Wortlos bückte er sich und warf die Verpackung in den Papierkorb.
    »Wie bist du denn drauf?«, fragte das Mädchen mit vollem Mund und setzte, als Schröder nichts erwiderte, hinzu: »Spießer.«
    Schröder schwieg noch immer.
    »Blödmann«, sagte das Mädchen kauend. Und dann: »Fettsack.«
    Seufzend klappte Schröder die Zeitschrift zu und verstaute sie vorsichtig in seiner Tasche. »Ich bin Polizist«, sagte er freundlich, nachdem er das Mädchen eine Weile angesehen hatte. »Sollte ich dich noch einmal erwischen, wie du deinen Müll auf die Erde wirfst, lege ich dir Handschellen an und nehme dich fest. Und dann lass ich dich den kompletten Marktplatz fegen, verstanden?«
    Das Mädchen starrte ihn mit offenem Mund an, Schokolade klebte zwischen ihren Zähnen. Sie setzte zu einer Erwiderung an, als direkt vor ihnen ein Volvo anhielt und hupte.
    »Steig ein«, rief Claudius Zorn, nachdem er sich hinübergebeugt und die Beifahrertür geöffnet hatte. Schröder stand auf und wandte sich noch einmal an das Mädchen: »Das ist mein Kollege. Vor ihm solltest du dich besonders in Acht nehmen, das ist ein ganz scharfer Hund. Er würde dich den Marktplatz nicht fegen, sondern bohnern lassen. Und danach würde er dich erschießen.«
    Er stieg zu Zorn ins Auto und schloss die Tür. Dann fuhr er das Fenster herunter, formte mit ausgestrecktem Zeige- und Mittelfinger ein V und deutete erst auf seine Augen, dann auf das Mädchen. Ich beobachte dich , hieß das.
    Das Mädchen streckte ihm die schokoladenverschmierte Zunge raus.
    »Was war das denn?«, fragte Zorn und legte den Gang ein. »Die hat dich angeguckt, als wärst du Jack the Ripper.«
    »Nur ein kleiner Beitrag zum Umweltschutz«, erwiderte Schröder und schnallte sich umständlich an. »Nett, dass du mich mitnimmst. Kommst du zufällig vorbei?«
    »Ja«, log Zorn und fuhr an. Er war seit sechs Uhr munter, hatte eine Weile grübelnd wach gelegen und war dann zwei Stunden ziellos durch die Gegend gefahren. Schließlich war er hier aufgetaucht, in der Hoffnung, Schröder auf seinem Weg ins Präsidium aufzugabeln.
    »Hier«, sagte er und griff, ohne den Blick von der Straße zu wenden, hinter sich auf die Rückbank. Er reichte Schröder eine Pralinenschachtel. »Ich hab auch was für dich. Die wollte ich dir eigentlich gestern schon geben, ich hab’s aber vergessen.«
    Das war bereits seine zweite Lüge an diesem schönen Sommermorgen.
    »Weinbrandbohnen.« Schröder schien ehrlich erfreut. »Danke.«
    »Du solltest sie gleich essen, bevor sie weich werden.«
    »Das wäre keine gute Idee.«
    »Warum?«, fragte Zorn, setzte den Blinker und bog in die Auffahrt zur Hochstraße ein. Schröder warf ihm einen schuldbewussten Blick zu.
    »Ich bin Diabetiker, Chef.«
    Volltreffer, dachte Zorn.
    »Und Alkohol trinke ich eigentlich auch nicht.«
    Klasse. Noch ein Volltreffer.
    Einen schrecklichen Moment widerstand er dem Impuls, Schröder die Pralinen aus der Hand zu reißen und aus dem Fenster zu werfen. Was für eine Frechheit!, wollte er rufen, das ist das erste Geschenk, das ich dir jemals gemacht habe, ich besorge dir Pralinen und du hast nichts Besseres zu tun, als ein Scheißdiabetiker zu sein? Was bildest du dir eigentlich ein?
    Schröder schien das zu spüren, denn er sagte: »Ich schenk sie dem Pförtner. Oder Frau Borck, die freut sich bestimmt.«
    »Tu das«, antwortete Zorn, der sich langsam wieder beruhigte. »Aber sag ihr nicht, dass sie von mir sind.«
    Schröders Handy klingelte, er kramte es aus seiner Aktentasche und meldete sich. Zorn erkannte die undeutliche, verzerrte Stimme von Frieda Borck, der Staatsanwältin. Schröder lauschte eine Weile schweigend, während sich seine Miene langsam verdüsterte.
    »Oha«, sagte er schließlich und beendete das Gespräch.
    »Was meinst du damit?«
    »Womit, Chef?«
    »Du hast ›Oha‹ gesagt, Schröder.«
    »Das war ein Ausdruck der Verwunderung. Ich hätte genauso gut ›O Gott‹ oder ›Herrje‹ sagen können.«
    »Würdest du
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