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Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)

Titel: Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
Autoren: Stephan Ludwig
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Stadtverkehrs zu ihm hinauf in den vierzehnten Stock.
    Er lag auf dem Rücken, rauchte und starrte an die Decke. Natürlich war ihm klar, dass er sich am Nachmittag wie ein trotziges, eingeschnapptes Kind verhalten hatte. Oder war es etwas anderes? Die Wechseljahre? Herrgott, überlegte er, ich werde tatsächlich launisch. Wie eine alternde Diva.
    Nun, launisch war er schon immer gewesen, mit dem Alter hatte das nichts zu tun. Aber es stimmte, in letzter Zeit lagen seine Nerven blank. Doch das hatte einen ganz anderen Grund.
    Malina.
    Besser gesagt, ihr plötzliches Verschwinden.
    Das war am 9. Mai gewesen, er wusste das Datum noch ganz genau. Eine Woche, nachdem der Gasometer explodiert und ihren Onkel unter sich begraben hatte. Wie lange war das jetzt her? Zwölf Wochen?
    Ja. Seit sechsundneunzig Tagen (und Nächten! – die waren schlimmer) grübelte er, warum sie ihn verlassen hatte, ohne auch nur ein einziges Wort zu sagen.
    Sie hatten sich für den Abend zum Essen verabredet, am Nachmittag erhielt er eine Nachricht aufs Handy: Sorry, Zorn. Es geht nicht . Das hatte er als Absage für das Essen verstanden und nicht weiter wichtig genommen.
    Zunächst jedenfalls.
    Als er sie am nächsten Morgen anrufen wollte, war sie nicht zu erreichen. Er sprach ihr auf die Mailbox. Zwei Tage später, als er dann vor ihrer Tür stand und konsterniert auf die helle Stelle starrte, an der bis vor kurzem noch ihr Namensschild gehangen hatte, wusste er, wie sie ihre Nachricht gemeint hatte.
    Sorry, Zorn. Es geht nicht .
    Es war ein Abschied gewesen.
    Am schlimmsten war nicht die Tatsache, dass sie ihn verlassen hatte, sondern die Frage nach dem Warum. Auch jetzt noch, drei Monate (oder zweitausenddreihundert Stunden) später, fragte er sich immer wieder, was der Grund für ihr plötzliches Verschwinden gewesen sein könnte. Er wusste es nicht.
    Sie hatten nicht einmal zwei gemeinsame Wochen gehabt, aber sie waren glücklich gewesen. Was das Glück betraf, war Zorn im Laufe seines Lebens sehr vorsichtig geworden, aber er war sicher, dass sie einem Zustand, der diesem Begriff ähnelte, zumindest sehr nahe gekommen waren. Und es war nicht nur ihm, sondern auch ihr so gegangen. Sie hatten sich gefunden, und es war gut gewesen. Das war eine Tatsache. Punkt.
    Es wäre Zorn ein Leichtes gewesen, ihre neue Telefonnummer herauszufinden oder die Adresse, unter der sie jetzt wohnte. Aber da war nicht nur das Unglück über die enttäuschte Liebe, da war noch etwas anderes: Trotz.
    »Na und? Dann hast du eben Pech gehabt, Malina. Du hast keine Ahnung, was du verpasst«, sagte Zorn laut und erschrak über den Klang seiner eigenen Stimme, die hohl von den Wänden seines kleinen Schlafzimmers widerhallte.
    Die Gardinen bewegten sich sacht, eine kühle Brise wehte durchs Zimmer. Zorn schüttelte wütend den Kopf. So sehr er auch lüftete, er konnte Malina immer noch riechen.
    Ich bin selbst schuld, dachte er und drückte die Zigarette aus. Ich hätte sie nicht so dicht an mich heranlassen dürfen. Aber das war jetzt das letzte Mal. Endgültig. Ich komme sehr gut allein klar.
    »Und außerdem«, murmelte er leise, klopfte das Kissen zurecht und drehte sich zur Seite, »hab ich ja noch Schröder.«
    Drei Stunden später war er endlich eingeschlafen.

Drei
    Der Stadtwald lag still in der Sonne. Er befand sich im Osten der Stadt, nach Norden zu wurde er durch eine Schnellstraße begrenzt, die an der Neustadt vorbei ins weiter westlich gelegene Mansfelder Land führte. Ziemlich genau in der Mitte befand sich ein Berg, auf dem ein stählerner Aussichtsturm stand. Von hier aus hatte man einen atemberaubenden Blick über die Stadt, an klaren Tagen konnte man bis zu den Gipfeln des Harzes sehen. Der Wald war beliebt, an den Wochenenden strömten die Menschen in Scharen mit Decken und Picknickkörben herbei.
    Jetzt, morgens um sechs, war es hier menschenleer. Es würde noch Stunden dauern, bis die ersten Halbwüchsigen auf einem der Wanderwege lärmend und handtuchschwingend zum südlichen Ende des Waldes pilgern würden, dahin, wo der Heidesee schmutziggrün im Morgenlicht glitzerte.
    Am Ufer führte ein Weg aus brüchigen Betonplatten entlang, ein Radfahrer strebte eilig dem Wald zu. Er trug enge schwarze Shorts und ein Trikot aus gelbem Polyester. Das Rad, ein Mountainbike aus weißem Aluminium, schien neu zu sein.
    Der Fahrer war jung, höchstens achtzehn. Der Helm war ihm tief in die Stirn gerutscht, das Gesicht gerötet, Schweißflecken glänzten
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