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Zorn der Meere

Zorn der Meere

Titel: Zorn der Meere
Autoren: Falconer,Colin
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Bestimmtes auf dem Herzen.«
    Lucretia zwang sich, Ruhe zu bewahren. Sie warf einen Blick zur Tür, um nach Zwaantie Ausschau zu halten. Wo war das Mädchen, wenn man es brauchte?
    »In meinem Quartier könntet Ihr es bequemer haben«, fuhr der Kapitän hartnäckig fort.
    »Ihr vergesst wohl, wen Ihr vor Euch habt«, versetzte Lucretia. »Ich bin außerdem eine verheiratete Frau.«
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    »Ich ließe Euch nicht für neun Minuten aus den Augen, wenn Ihr meine Frau wäret, geschweige denn für Monate oder Jahre«, entgegnete Jacobs. Seine Stimme war weicher geworden.
    »Malt den Teufel nicht an die Wand. Wenn ich Eure Frau wäre, würde ich mich in die Fluten stürzen.«
    Das Lächeln, das sich auf Jacobs' Miene angedeutet hatte, verschwand. Er streckte die Hand nach Lucretia aus, doch sie wich zurück.
    »Verzieht Euch oder ich schreie«, flüsterte sie. »Jedermann auf dem Schiff würde mich hören.«
    Jacobs schien sich ihre Drohung für eine Weile durch den Kopf gehen zu lassen.
    »Ich habe bisher noch jede Frau rumgekriegt«, murrte er schließlich.
    »Nun, diese hier aber nicht.«
    Vermutlich würde er mich jetzt am liebsten schütteln und schlagen, dachte Lucretia, als sie bemerkte, dass auf seinen Wangen feuerrote Flecke entstanden. Er schien sich jedoch eines Besseren zu besinnen, machte auf den Hacken kehrt und stapfte davon.
    Gleich darauf schlüpfte Zwaantie durch die Tür.
    »Wo hast du gesteckt?«, fuhr Lucretia sie an und betrachtete das Mädchen prüfe nd. Ob ihre Dienstmagd draußen gelauscht und sich ins Fäustchen gelacht hatte, während ihre Herrin sich ihres Besuchers erwehrte? Oder ob sie noch weiter gegangen und den Skipper womöglich ermutigt oder gar angestiftet hatte?
    »Nun steh nicht so einfältig rum!«, befahl Lucretia barsch.
    »Ich will, dass du mir beim Auskleiden hilfst!«
    »Ist ja schon gut«, entgegnete Zwaantie mürrisch und bedachte Lucretia mit einem verschlagenen Blick.
    Na, das kann ja noch heiter werden, dachte diese. Ich möchte wissen, woher das makellose Zeugnis kommt, das das Mädchen
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    mir vorgelegt hat. Wie es aussieht, hatte es da jemand eilig gehabt, die Kleine aus seinen Diensten zu entlassen.
    Nachts, wenn die Ratten im Laderaum ihr Unwesen trieben, wälzten die Männer sich in Träumen, in denen die Dämonen der Lust sie plagten. Unter den dicht zusammengedrängten Passagieren, die auf dem Batteriedeck schliefen, weinten vereinzelt Kinder. Dazwischen ertönte das Knarzen der dicken Haltetaue und das Ächzen der hölzernen Planken.
    Der Teufel, der über die Wellen strich, sah lächelnd zu, wie sich die Heimatküste der Seefahrer in der Ferne verlor.

    Fünfundvierzig Grad und achtundvierzig Minuten nördlicher Breite
    vierter Tag des November im Jahre des Herrn, 1628

    In der Nacht fegte ein Sturmwind über den Golf von Biskaya und färbte den Himmel schwarz wie Morast. Aus den Rahen drangen die aufgeregten Rufe der Matrosen, die, nur im Licht der Hecklaterne, die Segel bis auf die Sturmsegel refften.
    Unterdessen stöhnten die Passagiere auf ihren Lagern unter Deck, wo die verbrauchte Luft von dem Gestank ihres Erbrochenen durchsetzt wurde.
    Herr, erbarme dich meiner, betete Judith. Ich halte das keine Stunde mehr aus. Erst seit einer Woche sind wir unterwegs, und ich wünsche mir bereits, ich wäre tot. Die noch fo lgenden acht Monate der Reise dehnten sich wie eine einzige endlose Höllenqual vor ihr aus.
    Judith hatte sich an die frische Luft auf dem Quarterdeck gerettet, wo sie sich an der Bordwand fest hielt, wenn sie sich krümmen musste. Anschließend begann sie jedes Mal zu würgen, erbrach jedoch nichts mehr außer gallig schmeckenden Speichelfäden.
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    Als sie aufblickte, sah Judith, dass eine haushohe Woge den Bug steil in die Höhe richtete und ihn hernach in den Abgrund eines Wellentals schob. Judith presste die Hände auf ihren Magen und beugte sich abermals vor.
    »Ihr dürft den Mut nicht verlieren«, ließ sich eine ruhige Stimme neben ihr vernehmen.
    Judith hob den Kopf. Die Stimme gehörte zu einem der Soldaten. Es war ein großer, kräftiger Bursche mit weizenblondem
    Haar, der so munter wirkte, als er befände er sich bei einem Morgenspaziergang entlang der holländischen Grachten. Judith hätte ihm am liebsten die Augen ausgekratzt.
    »Sobald Ihr seefest seid, ist alles wieder im Lot.«
    Judiths Magen krampfte sich zusammen. Tränen rannen ihr über das Gesicht, als sie wieder zu würgen begann.
    Geh mir aus den Augen, Soldat,
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