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Zores

Zores

Titel: Zores
Autoren: A Pittler
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nichts“, antwortete Cerny. „Er ist tot aufgefunden worden in seiner Privatwohnung in der Skodagasse, was passend ist, weil Skoda ja Schaden heißt.“
    „Lass die Gspasettln, Cerny. Wann?“
    „Der Anruf ist vor einer Viertelstund’ hereingekommen. Seine Haushälterin hat ihn g’funden. Mit durchgeschnittener Kehle.“
    „Na ja, Selbstmord war das dann wahrscheinlich keiner.“
    „Gemma?“
    „Ja.“
    Zwanzig Minuten später waren die beiden am Tatort, der bereits von der uniformierten Polizei abgesichert worden war. Sie betraten den Hausflur und begaben sich in den ersten Stock, in dem sich Suchys Wohnung befand. Dort stand die füllige Person der Haushälterin: „Grüß Sie, Herr Inspektor. Doda warat’s.“
    Sie zeigte in Richtung des Wohnzimmers, wo Suchy offensichtlich mit Hingabe einen Persianer vollgeblutet hatte. Die Haushälterin folgte den beiden Männern und schlug die Hände überdem Gesicht zusammen. „Ich scham mi ja so“, nuschelte sie. Bronstein konnte die Reaktion der Frau verstehen, denn Suchy lag nackt auf dem Teppich, über und über mit Blut besudelt, das sich auf dem voluminösen Bauch reichlich verteilt hatte, während das verschrumpelte Geschlecht kaum zu erkennen war.
    „Ziemlich winzig für jemanden von der Herrenrasse.“
    „Aber Herr Inspektor, ich muss doch sehr bitten!“, fuhr die Zugehfrau empört auf.
    „A wos, ein armseliges Gurkerl ist ein armseliges Gurkerl. Wurscht, ob Arier oder Jud“, übte sich Bronstein in ausgesuchter Derbheit.
    Er wusste selbst nicht, was ihn dazu veranlasste, so zu reden. Aber möglicherweise wollte er auf diese Weise besondere Härte demonstrieren, die ein nicht unwichtiger Schutzpanzer gegen die anwesenden Polizisten sein mochte, mit deren Loyalität es nicht mehr weit her sein würde, wenn sie erst einmal spitzkriegten, dass der ermittelnde Beamte Bronstein hieß.
    „Wie heißen Sie überhaupt?“, fuhr Bronstein die Frau an.
    „Amalie Winter“, entgegnete diese.
    „Wann haben S’ ihn g’funden, und wann haben S’ ihn zuletzt g’sehen? Lebend, mein ich.“
    „Heut um acht. Gestern um sechs.“
    „Sechs in der Früh oder am Abend?“
    „Am Abend. Er hat g’sagt, ich kann gehen, er erwartet noch Besuch, aber um den kümmert er sich selber.“
    „Ist das öfter vorgekommen, dass er noch Besuch erwartet und sich um den selber gekümmert hat?“
    „Eigentlich … schon“, druckste die Winter herum.
    „Was heißt das genau?“
    „Na ja, es hat Besuche gegeben, von denen der gnädige Herr nicht wollte, dass ich etwas davon mitbekomme. Habeich aber natürlich trotzdem.“ Dabei lächelte die Winter sphingenhaft.
    Bronstein spürte, dass seine Geduld an ihr Ende kam. „Reden S’ Tacheles, Frau Winter, sonst gibt’s Zores.“
    „Ja mei, junge Sympathisanten der Bewegung halt. Die sind immer abends gekommen. Und er hat sie unterwiesen in … deutscher Tugend und deutscher Art.“
    Bronstein warf Cerny einen vielsagenden Blick zu.
    „Hat er allein g’lebt, der Herr Suchy?“, fragte nun Cerny.
    „Der Herr Ingenieur war alleinstehend, ja. Er hat immer gesagt, er ist mit der Bewegung verheiratet.“
    Bronstein sah sich um. Die Wohnung konnte fraglos als herrschaftlich bezeichnet werden. Sie wies drei große Zimmer und einige Nebenräume auf, die samt und sonders mit pseudogermanischen Devotionalien vollgestopft waren. Bücher gab es kaum, dafür aber jede Menge kitschiger Ölschinken, auf denen Bronstein Parzival, Siegfried und Hagen von Tronje zu erkennen meinte. Über dem Bett hing ein riesiges Gemälde, das mit dem Schriftzug „Kampf um Rom“ geschmückt war. Er kramte in seiner Erinnerung und kam zu dem Schluss, dass es hier um die Gotenkönige Totila und Teja ging, die ihre letzte Schlacht gegen die Byzantiner fochten. Auf dem altdeutschen Sekretär lag Hitlers „Mein Kampf“, gleich daneben fand sich die Ausgabe des „Völkischen Beobachters“ vom Vortag.
    „Wer wohnt sonst noch aller in dem Haus?“ Bronstein richtete die Frage allgemein in den Raum, während er ein SchildImitat betrachtete, das an einer Säule im Salon lehnte, auf der sich ein vermeintlich germanischer Helm mit Hörnern an den Seiten befand.
    „Bitte schön, das weiß ich nicht. Ich bin immer nur tagweis’ da g’wesen. Aber fragen S’ die Hausmeisterin, die weiß das sicher.“
    Na wieder einmal eine Hausmeisterin, dachte Bronstein und seufzte leise. „Weißt was, nimm die Personalien von dieser Winter auf, ich geh derweil zur
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