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Zores

Zores

Titel: Zores
Autoren: A Pittler
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die Volksabstimmung, die der Schuschnigg für den Sonntag ang’setzt hat, diesem Abschaum die nötige Absage erteilt, denn sonst sieht’s düster aus für die Zukunft dieses Landes. Und für meine erst recht. Da brauch ich dann so oder so keine Kur mehr.“
    Cerny wiegte skeptisch den Kopf: „Auf die Abstimmung tät ich mich nicht verlassen. Der Schuschnigg hat sich’s mit allen und jedem verscherzt. Ich bin mir nicht sicher, ob den noch viele unterstützen.“
    „Du denkst wirklich, die Leut’ wollen lieber diesen Schreihals aus Braunau?“
    Cerny zog schweigend die Schultern hoch.
    So weit war es also schon! Er brauchte einen Magenbitter! Ob man den so früh am Morgen überhaupt trinken durfte? Ach was, er war gerade dem Tod von der Schippe gesprungen, da brauchte man nicht heikel zu sein. Dabei war die Erklärung, die der Bundeskanzler erst am Vortag abgegeben hatte, für ihn eine wahre Erleichterung gewesen. In der Tat hatte sie seinem Erwachen am Morgen geglichen, quasi eine Auferstehung von den Toten. Denn zuletzt hatte es ja gar nicht rosig ausgesehen. Mit Schrecken dachte er daran, dass Schuschnigg, kaum dass er von einem Treffen mit Hitler am Obersalzberg zurückgekehrt war, ausgerechnet den Chef der illegalen österreichischen Nationalsozialisten, Arthur Seyß-Inquart, zum Innenminister ernannt hatte, der damit seit drei Wochen Bronsteins oberster Chef war. Eigentlich war Bronstein sofort nach der Angelobung des Obernazis davon ausgegangen, aus dem Polizeidienst entlassen zu werden, doch anscheinend hatte die fünfte Kolonne Hitlers in Wien keine sonderliche Eile. Er war wie Cerny Exekutivbeamter geblieben und noch nicht einmal von der Mordkommission abgezogen worden. Doch ob er, wie ihm Polizeipräsident Skubl noch Anfang Februar zugeraunt hatte, eine Beförderung zum Generalmajor zu feiern haben würde, das bezweifelte er nun endgültig. Er freute sich zwar, dass Cerny mit Wirksamkeit vom 1. März zum Oberstleutnant avanciert war, doch mit mehr, so schien ihm, brauchten beide nicht mehr zu rechnen.
    Cerny riss Bronstein aus seinen Gedanken. „Wie auch immer, deswegen haben wir trotzdem einen Mord. Und solange wir in Amt und Würden sind, ist es unsere Aufgabe, derartige Verbrechen aufzuklären, meinst du nicht?“
    Bronstein fuhr auf: „Ja …, sicher. … Du hast natürlich recht.“
    Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht: „Also. Was liegt an?“
    Cerny holte kurz Luft. „Sagt dir der Name Walter Suchy etwas?“
    „Der Nazi-Bonze?“
    „Genau der!“
    „Sicher. Diese Eiterbeule. Die wird jetzt wahre Jubeltänze aufführen!“
    „Wird sie nicht. Der Suchy ist das Mordopfer.“ Cernys Miene blieb ausdruckslos.
    Bronstein pfiff durch die Zähne.
    „Na servas“, sagte er dann.
    Walter Suchy war ungeachtet seines tschechischen Namens, der, wie Cerny Bronstein einmal erklärt hatte, „der Trockene“ bedeutete, ein nationalsozialistisches Urgestein gewesen. Schon vor dem großen Krieg war Suchy, der damals noch in Böhmen gelebt hatte, in deutschnationalen Vereinigungen aktiv gewesen und so ein enger Mitarbeiter des seinerzeitigen Parteiführers Hans Knirsch geworden, der seit 1911 Reichsratsabgeordneter in Wien gewesen war und nach 1918 dem tschechoslowakischen Parlament angehört hatte. Suchy war in Wien geblieben und hatte im Mai 1918 die „Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei“ ins Leben gerufen, die sich seit 1921 der beinahe gleichnamigen Bewegung in Bayern unterordnete.
    All das würde Bronstein kaum interessiert haben, wenn Suchy nicht seit geraumer Zeit zu beachtlicher Prominenz gekommen wäre. Nach Schuschniggs Aufenthalt in Berchtesgaden war der Name Suchy durch die Zeitungen gegeistert, und nicht wenige sahen in ihm den künftigen Bundeskanzler Österreichs. Doch es war auch kein Geheimnis, dass Suchy in dem Rechtsanwalt Seyß-Inquart und dem GeneralGlaise-Horstenau erbitterte Rivalen um die Führung der österreichischen Nazis hatte.
    Und aus deren Ecke waren wohl einige Artikel lanciert worden, die Suchy zuletzt in ein schiefes Licht gebracht hatten. Die einen warfen ihm vor, ein Wendehals zu sein, da er, wie sein Kompagnon Riehl, 1927 für die christlich-soziale Einheitsliste kandidiert hatte, die anderen erinnerten an seine unrühmliche Rolle während des Röhm-Putsches vor vier Jahren, und wiederum andere meinten zu wissen, dass sich Suchy dem deutschen Jungen in ganz besonderer Weise verbunden fühlte.
    „Was wissen wir bis jetzt?“
    „Eigentlich
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