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Zoë

Titel: Zoë
Autoren: C Carmichael
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Katzenfutter ich kaufen sollte, glotzte er mich schon wieder so an. Ich nahm die Packung mit vier unterschiedlichen Geschmacksrichtungen und legte sie in den Wagen. Er sah mich an, als wäre ich nicht ganz richtig im Kopf.
    » Was? «, sagte ich, so höflich es ging.
    »Wofür soll das Katzenfutter sein?«, fragte er, so als hätte ich es für mich gedacht.
    »Oje, lass mal überlegen.« Ich trommelte mir mit den Fingerspitzen auf die Backe und verdrehte die Augen zum Himmel. »Wofür könnte Katzenfutter sein? Schwierige Frage. Katzenfutter … Ich hab’s – für die Katze«, sagte ich mit einem strahlenden, gekünstelten Lächeln. Gleichzeitig gab ich mir Mühe, dass man mir nicht anhörte, für was für einen Schwachkopf ich ihn hielt.
    »Ich habe keine Katze.«
    Ich musterte ihn gründlich. Er war wirklich ahnungslos. Keine sechs Meter vor seiner Haustür schlief, jagte und fraß ein Tier, und Henry hatte keinen blassen Schimmer. Was war bloß mit diesen Erwachsenen los? Das Leben raste einfach an ihnen vorbei. »Und ob es da eine gibt«, sagte ich. »Einen Kater. Draußen. In Lebensgröße.«
    »Wo draußen?«
    »In deinem Garten«, sagte ich. Nicht zu glauben, dass der Präsident der Vereinigten Staaten sich allen Ernstes bei Dr. Henry Royster unters Messer gelegt hatte. Der Artikel, den ich darüber in der Bücherei gelesen hatte, war zwar schon alt, aber es hieß darin, dass Henry sein Studium an der berühmten medizinischen Fakultät der John Hopkins University als Bester seines Jahrgangsabgeschlossen hatte, dass er ein angesehener Chirurg bei der U. S. Marine gewesen war und sogar den Präsidenten operiert hatte, bevor er die Medizin aufgab, um »einer der überragenden Künstler Amerikas« zu werden – und so was schafft keiner, der eher unterbelichtet ist. Henry sah mich wieder so seltsam an, vermutlich fragte er sich, ob ich vielleicht nach allem, was ich durchgemacht hatte, einen Sprung in der Schüssel hatte. Genau so hatten die Leute auch Mama angesehen. Ich mochte diesen Blick nicht. Ganz und gar nicht.
    »Du hast diese Katze tatsächlich gesehen?«
    Ich schob den Wagen in den Gang mit den Schreibwaren und überlegte dabei, wie ich ihm das erklären sollte – dass ich die Anwesenheit von etwas Lebendigem spüren konnte, auch wenn ich manchmal nicht wirklich etwas sah. Aber wie sollte ich das jemandem, der dermaßen ahnungslos war, klarmachen? Unmöglich. »Da gibt’s einen Kater, ganz sicher. Wollen wir wetten? Fünfzig Dollar.« Erwachsene nehmen Dinge eher ernst, wenn Geld im Spiel ist.
    »Wie bitte?«
    »Ich hab das Geld!«
    »Das meinte ich nicht.«
    »Sondern?«
    »Du zockst?«
    »Manchmal«, sagte ich. »Jeder zockt mal.«
    »Ich nicht.«
    »Klar«, sagte ich. »Als du noch Leute unters Messer genommen hast, früher , da hast du wohl immer gewusst, dass alles gut geht.«
    Henry wollte schon etwas sagen, doch dann brach er ab und meinte nur: »Kapiert.«
    »Also – die Wette gilt?«
    »Natürlich nicht.«
    »Ach, komm. Keinen Sinn für Abenteuer? Kein bisschen Sinn für Risiko?«, fragte ich und stieg aufs zweite Regalbrett, um an die Kleenex-Schachtel mit den gelben Schmetterlingen zu kommen.
    Henry hob mich runter, stellte mich auf den Boden, nahm mir die Schachtel aus der Hand und legte sie in den Einkaufswagen. »Lässt du dir auch mal helfen?«
    »Nicht, wenn es sich vermeiden lässt.«
    »Und wieso nicht?«
    »Weil ich mich lieber auf mich selbst verlasse«, antwortete ich, »und jetzt lenk nicht ab. Ich hab schon mit sieben fünfhundert Dollar beim Rennen gewonnen.«
    »Was für einem Rennen?«
    » Pferde . Das war, als ich mit Mama und Manny in New York wohnte. Manny sagte immer, ich hätte den Blick dafür. Alles in allem hab ich fast zweitausend Dollar gewonnen, die Dreierwette sogar zweimal. Natürlich musste Manny für mich setzen, ich war ja noch nicht alt genug.«
    »Nicht mal groß genug, um an das Fenster vom Wettschalter zu reichen«, sagte er. »Und Kinder – hast du die vielleicht auch?«
    »Damit warte ich noch, bis ich verheiratet bin.«
    »Das freut mich.«
    »Also – die Wette gilt?«
    »Was hast du mit dem ganzen Geld gemacht?«
    »Ausgegeben.«
    »Wofür?«
    »Alles Mögliche«, sagte ich. Der größte Teil meiner Gewinne war draufgegangen für überfällige Rechnungen, ausstehende Mieten für Wohnungen, die kaum bessere Müllkippen waren. Ganz zu schweigen davon, dass Mama und ihre Freunde sichimmer wieder etwas von mir »geliehen« hatten, bevor ich lernte,
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