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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein
Autoren: Mayer Gina
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vielleicht sah er es nicht, es wurde ja langsam dunkler. Sie musste jetzt etwas sagen. Sie holte tief Luft. »Ich bin aber gar nicht stumm«, sagte sie.
    Das Grinsen erstarrte. Gott, wie dämlich, dachte Mira, während sie Gudruns Arm noch fester umklammerte. Etwas Dümmeres hätte ich nicht sagen können.
    Gudrun legte ihren Arm um sie, als sie das Gelände der Berg- und Talbahn verließen. »Dem hast du es aber gegeben«, spottete sie.
    »Hör auf«, sagte Mira betreten. »Hätte ich doch nur den Mund gehalten.«
    »Komm, ich glaube, er hat es nett gemeint«, meinte Gudrun. »Vielleicht hättest du mit ihm noch eine Runde drehen sollen.«
    Mira schüttelte den Kopf und antwortete nicht.
    »Nimm’s nicht so schwer«, sagte Gudrun nach einer Weile.
    »Was?«, fragte Mira.
    »Das Leben«, sagte Gudrun.
     
    Sie aßen ein Paar Knackwürste mit Mostrich und Brot, während sie am Rhein entlangspazierten. Auf dem Fluss fuhr ein Dampfschiff vorbei, das Holzstämme geladen hatte und so tief im Wasser lag, als ginge es gerade unter. Einer der Matrosen an Bord winkte zu ihnen herüber. Gudrun winkte zurück.
    Sie trug ein rotes Sommerkleid mit Tupfen, einen hellblauen Seidenschal und einen schmal geschnittenen Topfhut, der ein bisschen wie die Ledermütze eines Automobilfahrers aussah. Das Kleid hatte sie schon im letzten Sommer getragen und im Sommer davor auch, aber nun hatte sie den Saum gekürzt und die Ärmel enger gemacht. Es sah aus wie neu.
    »Jetzt geht es mir wieder besser.« Gudrun warf das Pappkärtchen, auf dem die Wurst und das Brot gelegen hatten, ins Wasser. Das weiße Rechteck dümpelte auf den Wellen wie einFloß mit einem Klecks Mostrich als Passagier. Als es ein Stück abgetrieben war, stieß eine Möwe aus der Luft herab, eine Weile lang schwebte sie über dem seltsamen Boot und schien darüber nachzudenken, ob es essbar wäre, aber dann zog sie unverrichteter Dinge wieder ab.
    »Was macht dein Modesalon?«, fragte Mira.
    »Die Räume sind angemietet. Jetzt müssen sie umgebaut und dekoriert werden. Und die ganzen Anschaffungen, die noch zu erledigen sind! Im Oktober werde ich wohl loslegen können.«
    »Im Oktober erst. Aber bei Tietz bist du nur noch bis zum Wochenende!«
    »Gott sei Dank! Die Zeit wird mir bestimmt nicht lang werden, bei all den Dingen, die noch auszuführen sind.«
    »Aber wovon wirst du leben? Du musst doch auch deine Miete bezahlen. Hast du denn genügend Ersparnisse?«
    Gudrun antwortete nicht, sondern strich nur gedankenverloren über die Knopfleiste ihrer Bluse, ihre Finger drehten die Knöpfe, als wollte sie sicherstellen, dass sie noch fest saßen.
    Pressmann also, dachte Mira.
    Ein paar Minuten lang gingen sie schweigend nebeneinander her. »Weißt du was?«, meinte Gudrun auf einmal. »Wir gehen noch in den Roten Kakadu. Warst du schon einmal dort?«
    »Was soll das sein? Ein Restaurant?«
    »Eine Bar. Oder eine Südseehütte. Ganz wie du willst. Das musst du gesehen haben.«
    »Ich weiß nicht. Ich muss morgen schließlich arbeiten.«
    »Und ich vielleicht nicht? Komm, ich spendiere dir auch einen Cocktail.«
    Der kleine rote Pavillon mit dem halbrunden Blechdach erinnerte tatsächlich an eine Negerhütte auf einer Südseeinsel. Oben auf dem Dach blinkten Leuchtbuchstaben. KAKADU. WEINHAUS stand in großen Lettern links neben der Tür. AMERICAN BAR verkündeten die Buchstaben auf der rechten Seite.
    Drinnen war es recht düster, nur unter der Decke hing eine Kette aus bunten Papierlampions, die die Form tropischerFrüchte hatten und ein schummriges Licht verbreiteten. Alles war rund im Roten Kakadu, der Raum selbst, die Theke in der Mitte, die einen Ring bildete, die Tische, die mit Girlanden aus Kunstblumen verziert waren, die Stühle und die Barhocker.
    Die Luft zitterte vor weißgrauem Zigarettenrauch, der oben von den Lampions bunt angestrahlt wurde. Sämtliche Tische waren besetzt, nur an der Bar waren noch ein paar Hocker frei. Gudrun ging voran, und Mira folgte ihr.
    Sie hatte das Gefühl, dass alle Augen im Raum auf sie gerichtet waren. Zwei Mädchen ohne Begleitung. Irgendjemand schnalzte mit der Zunge, vielleicht hatte es ja gar nichts mit ihnen zu tun, aber vielleicht doch.
    »Was willst du trinken?«, fragte Gudrun. Sie nahm ihren Hut ab und warf den Kopf schwungvoll nach hinten, so dass sich ein paar Strähnen aus ihrer Frisur lösten und auf ihre Schultern fielen. Dabei lächelte sie dem Barmann zu, der zurückzwinkerte, als wären sie alte Bekannte. Über
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