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Zitadelle des Wächters

Zitadelle des Wächters

Titel: Zitadelle des Wächters
Autoren: Thomas F. Monteleone
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ver­gra­ben und ros­tend in der un­er­bitt­li­chen Son­ne. Die Zeit las­tet schwer auf die­sem Ort, und man ver­spürt den Ge­ruch des To­des, der über den Sand­mas­sen schwebt wie ein Ra­be, der nur auf die Chan­ce war­tet, wie­der ein­mal zu­schla­gen zu kön­nen. Der Ge­ruch wird an­ge­rei­chert von Ma­schi­nen­öl und Kor­dit, von Blut und Zer­fall. Man nimmt an, daß hier ein­mal ei­ne rie­si­ge Schlacht statt­ge­fun­den hat, wo al­le Stäm­me der Welt auf ei­nem Fleck zu­sam­men­ström­ten, um ei­ne end­gül­ti­ge Ent­schei­dung zu er­zwin­gen. Und da­nach wa­ren auf ewig die Waf­fen und blei­chen­den Kno­chen in den Bo­den ein­ge­ätzt wor­den – wie ei­ne grim­mi­ge, in­to­le­ran­te El­fen­bein­schnit­ze­rei. Ei­ni­ge be­haup­ten, die­se Schlacht auf den Ei­sen­fel­dern sei das En­de der Ers­ten Zeit ge­we­sen. An­de­re da­ge­gen mei­nen, dies sei nur die letz­te ei­nes end­lo­sen Zy­klus von End­zeit­schlach­ten ge­we­sen, und die Be­zeich­nung „Ers­te Zeit“ sei viel­leicht falsch – man soll­te sie zu­tref­fen­der mit „Vor­an­ge­gan­ge­ne Zeit“ um­schrei­ben. Aber wer will das ent­schei­den? Es lie­gen kei­ne Be­wei­se vor, die die Ar­gu­men­te ei­ner Sei­te wi­der­le­gen könn­ten – oder über­haupt ein Ar­gu­ment in die­sem Zu­sam­men­hang. Ein Be­weis ist im Vor­han­den­sein der ge­bors­te­nen Ma­schi­nen ge­ge­ben, ein Be­weis, der voll Kum­mer sagt: Wir wa­ren hier, und auf die­se Art ha­ben wir ge­kämpft, und hier sind wir ge­stor­ben. Die Ge­heim­nis­se über­leb­ten den Tod der Ar­meen, und nie­mand kann be­haup­ten, er wüß­te, wer die­sen Ort zum Kämp­fen und Ster­ben auf­ge­sucht hat.
    Die Fra­ge ist phi­lo­so­phisch, und wie bei den My­ria­den von an­de­ren Fra­gen, die den mensch­li­chen Geist pla­gen, gibt es ei­ni­ge Or­te, wo sie ei­nem eher in den Sinn kom­men als an­ders­wo. Ein sol­cher Ort liegt nörd­lich des G’rdel­lia-Mee­res: das klei­ne Fürs­ten­tum Odo. Wie das Shu­dra­pur-Do­mi­ni­on den Bauch der Welt vor­weist, wie Ne­spo­ra die Welt mit Geld­bör­sen ver­sorgt und G’rdel­lia mit der Äs­the­tik, so ver­schafft Odo der Welt den Geist. Sei­ne Haupt­stadt Vo­luspa ist ein ehr­wür­di­ger Ort. Man sagt, sie sei auf den Rui­nen von sie­ben an­de­ren großen Städ­ten er­baut wor­den, die al­le an der glei­chen Stel­le ge­stan­den ha­ben sol­len. Vo­luspa hat ein kos­mo­po­li­ti­sches Flair und ist mit Kir­chen, Mo­scheen und Tem­peln über­sät. Ihr Ho­ri­zont gleicht ei­nem Wald aus Tür­men und Mi­na­ret­ten, je­der von ih­nen wett­ei­fert dar­um, den ers­ten Licht­strahl des leuch­ten­den Mor­gen­grau­ens und den letz­ten der schwin­den­den Däm­me­rung ein­zu­fan­gen. Je­de Re­li­gi­on, je­de Sek­te, je­de phi­lo­so­phi­sche „Schu­le“ hat es zu den Ge­sta­den Vo­luspas ge­zo­gen, und je­de ein­zel­ne hat ir­gend­wo im La­by­rinth der Stra­ßen und Al­leen ihr Haupt­quar­tier auf­ge­schla­gen. Uni­ver­si­tä­ten und Bi­blio­the­ken drän­gen in den an­ti­ken Ge­bäu­den nach Raum, und die Bou­le­vards sind über­füllt vom ge­schäf­ti­gen Trei­ben der Mön­che und Pries­ter, die Stra­ßen­e­cken ver­sperrt von Pro­phe­ten und Weis­sa­gern. Vo­luspa ist ei­ne Stadt – nein, viel­mehr ein gan­zes Land –, an­ge­füllt mit Stu­die­ren, re­spekt­vol­ler Dis­kus­si­on, Höf­lich­keit und na­tür­lich den re­li­gi­ösen Ri­ten und Übun­gen. Die Große Bi­blio­thek von Vo­luspa – sie ruht auf ei­nem gi­gan­ti­schen Stein­wür­fel auf den Klip­pen und bie­tet einen Aus­blick auf die Stra­ße von Nsin, ent­hält die größ­te Samm­lung der Welt an Ori­gi­nal­ma­nu­skrip­ten, Mi­kro­fil­men, Nach­rich­ten­mel­dun­gen, Re­pro­duk­ti­ons­kris­tal­len und an­de­ren Trä­ger­me­di­en, Erst­lings­dru­cken und Per­ga­men­ten. Leh­rer, Schü­ler und le­dig­lich Neu­gie­ri­ge pil­gern zu der Großen Bi­blio­thek, um die Ge­dan­ken und Ge­heim­nis­se ver­gan­ge­ner Jahr­hun­der­te zu er­grün­den. Und wie­der­um hat­te die Iro­nie ih­re Hand bei der De­mo­gra­phie und geo­gra­phi­schen La­ge der mo­der­nen Welt im Spiel: Odo, das
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