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Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Bärbel Böcker
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fragend die Augenbrauen hoch, und sie erklärte:
»Der Hauptsitz seiner Kanzlei ist in Chicago.« Sie seufzte. »Sabrina hat es nicht
leicht gehabt mit ihm in letzter Zeit.«
    Er runzelte
die Stirn. Sabrina war häufig allein gewesen, aber hatte sie sich deswegen auch
einsam gefühlt? Er starrte in den Rosenbusch, der direkt neben der Terrasse stand,
und betrachtete die roten Blüten. Wie hatte ihr Leben in den letzten Wochen und
Monaten ausgesehen? Was hatte sie im Angesicht des Todes empfunden?
    Das Leben
schrumpfte angeblich in den Stunden und Minuten bevor man starb, auf nicht viel
mehr zusammen als auf ein paar Bilder, die sich als Diashow aneinander reihten,
und was man mitnahm, war das Grundgefühl, das sich durch die Tage des Lebens wie
ein Bodensatz zog. So, wie man im Leben gestimmt gewesen war, so starb man auch.
Florian blinzelte. War das wirklich der Fall? Oder war im Anblick des Todes einzig
und allein das allerletzte Gefühl ausschlaggebend, das man empfand? Er fragte sich,
wie Sabrina im Moment ihres Todes zumute gewesen sein mochte. Hatte sie Panik gehabt?
Wut empfunden? Hass verspürt? Ihm wurde eng in der Brust.
    »Im Club
heißt es, Sam sei kürzlich sogar handgreiflich geworden«, hörte er seine Mutter
sagen.
    Langsam
öffnete er die Flasche Rotwein, die auf dem Tisch stand. »Sie hat ihn sich schließlich
ausgesucht«, sagte er in das leichte Knarren des Korkens hinein, und seine Stimme
klang bitter, was ihn überraschte. »Du meinst, er hat sie geschlagen?«
    »Ja.«
    »Aber er
ist Anwalt …«
    »Na und?«
Marie-Louise lachte. »So etwas kommt in den besten Familien vor.« Nach einer Weile
stellte sie fest: »Du hast immer noch an ihr gehangen.« Sie strich sich durch das
dunkle, halblange Haar und warf ihrem Sohn einen prüfenden Blick zu. Florian überlegte,
ob er etwas erwidern sollte, und während er noch darüber nachsann, wurde ihm auf
einmal klar, dass seine Mutter Sabrina nie wirklich in ihr Herz geschlossen hatte.
Sie hatte sie gemocht, ja, aber sie war ihr vermutlich all die Jahre mit derselben
oberflächlichen Freundlichkeit begegnet, mit der sie die meisten Menschen um sich
herum bedachte. Im Grunde kreiste sie ausschließlich um sich selbst. Florian seufzte.
Es gab Momente, in denen sie sehr warmherzig und teilnahmevoll sein konnte, aber
so wunderbar diese Momente waren, so selten waren sie auch. Meine Mutter, dachte
er, ein Fluch und ein Segen.
    »Sie hat
mir immer viel bedeutet«, sagte er schließlich und fügte nach einer kurzen Pause
hinzu: »Aber jetzt erlebe ich mit Jana ähnlich intensive Gefühle.«
    Marie-Louise
Halstaff sah interessiert auf. »Es läuft also gut zwischen euch …«
    Florian
nickte. Beinahe bereute er, soviel von sich preisgegeben zu haben. Jana, die wie
er bei Profi Entertainment arbeitete und mit der er bereits seit einigen
Monaten zusammen war, war seit langem die erste Frau, mit der er sich wieder mehr
als nur gemeinsame Nächte vorstellen konnte. Wenn sie zusammen waren, spürte er
eine Vertrautheit, die ihm beinahe unheimlich war. Er hatte sie seiner Mutter längst
vorgestellt, und hin und wieder gingen sie gemeinsam essen.
    Florian
reckte den Kopf. Das Klappern von Geschirr drang aus dem Küchenfenster in den Garten,
und ein würziger Geruch von Salbei kitzelte seine Nase, doch immer noch verspürte
er keinen Appetit. Die Trauer über Sabrinas Tod hatte jegliches Hungergefühl vertrieben.
    »Was macht
die Arbeit?«, wechselte Marie-Louise das Thema.
    »Nichts
Aufregendes«, antwortete er und sagte: »Ich bereite gerade eine Sendung über Eliteschulen
in Deutschland vor.«
    »Ach …«
    Mehr gab
es dazu auch nicht zu sagen, dachte Florian. »Und was treibst du momentan?«
    »Ich habe
eine neue Rolle in einem TV-Movie angenommen«, sagte seine Mutter und erklärte:
»Ich spiele eine alternde Casinobesitzerin, die nach Jahrzehnten ihrer Jugendliebe
wieder begegnet.«
    »Schön«,
sagte Florian, und er merkte selbst, dass etwas mehr Begeisterung durchaus angebracht
gewesen wäre. Anna trat mit einem Servierwagen hinaus auf die Terrasse, und während
sie näher kam, stellte er die Frage, die ihm die ganze Zeit über keine Ruhe gelassen
hatte: »Meinst du, dass Sam Sabrina umgebracht hat?«

Montag, 04. Juli
     
    Florian hatte ein einsames Wochenende
verbracht. Am Samstag hatte er die Wohnung nur kurz verlassen, um einkaufen zu gehen,
ansonsten hatte er den Tag über klassische Musik gehört, die Raddatz-Biographie
über Rilke gelesen und dösend auf
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