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Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Bärbel Böcker
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gesehen hatte und an die Arbeit der Spurensicherung, die unendlich viel
Akribie erforderte. Er dachte an die Toten, die er inspiziert hatte, oft schrecklich
entstellt. Bilder von Verbluteten, manchmal bereits Verwesten, die sich in sein
Hirn gebrannt hatten. Er fragte sich, wie schlimm die Leiche diesmal aussehen würde.
    Seine Augen
glitten über das glitzernde Wasser des Sees, und einen Augenblick überlegte er,
wie es wäre, einfach hinein zu steigen. Den Staub und den Schweiß der letzten Stunden
abzuspülen, und die Augen vor dem, was ihn erwartete, einfach zu verschließen. Im
kühlen Nass zu versinken, den Atem anzuhalten, und mit schnellen Schwimmbewegungen
erst am gegenüberliegenden Ufer wieder aufzutauchen.
    Er liebte
seine Arbeit, und die Tatsache, dass er in seiner beruflichen Laufbahn bis auf einen
einzigen alle Fälle gelöst hatte, erfüllte ihn mit Stolz. Doch manchmal gab es Tage,
so selten sie auch waren, an denen es ihm etwas ausmachte, Leichen zu begutachten.
Heute war so ein Tag. Ermordete boten nie einen schönen Anblick, ganz gleich, ob
sie erwürgt, erhängt, erschlagen, erstochen oder erschossen worden waren.
    »Habt ihr
schon was?«, rief er Josef Ingler von der Spurensicherung zu, einem stämmigen Mann
mittleren Alters, sie kannten sich seit Jahren.
    »Jede Menge
Eindruckspuren rund um den Fundort, Reifenspuren nur vorn am Parkplatz. Wir haben
Abdrücke genommen«, rief er zurück. »Sonst leider nichts, was auf den Täter hinweist.«
Er zuckte bedauernd mit den Schultern.
    Marko Rössner
nickte zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Je näher er der Leiche kam, desto
unruhiger wurde er. Inzwischen war er mit Ingler auf Augenhöhe. Er blieb stehen
und schirmte die Augen gegen das Sonnenlicht ab.
    »Wir nehmen
gleich noch jeden Busch und Baum einzeln unter die Lupe«, sagte der Mann von der
Spurensicherung. »Vielleicht haben wir Glück und finden ein paar Textilspuren.«
Der Beamte sah mit prüfendem Blick in den Himmel. »Wenigstens ist heute kein Regen
angesagt, das erleichtert die Arbeit.«
    »Viel Erfolg.«
Rössner betrat den schmalen Trampelpfad, der ihn am Gehölzrand entlang zur Toten
führte. Die Staatsanwältin, eine Frau Anfang 40 mit bereits herben Zügen, die von
der Bitterkeit ihres Berufslebens zeugten, und ein junger Polizeibeamter, der zur
ersten Einsatztruppe gehörte und den Tatort mit abgesperrt hatte, sahen mit unbeweglicher
Miene zu, wie der Rechtsmediziner die Leiche untersuchte, außerdem machte sich ein
Mitarbeiter von der Spurensicherung an ihr zu schaffen.
    Dr. Sinzig
sah auf und grüßte knapp. Rössner war noch nicht ganz bei ihnen angekommen, da warnte
er ihn bereits: »Du hältst besser die Luft an, wenn du draufschaust.«
    Der Kriminalhauptkommissar
straffte sich, dann hatte er die Tote erreicht, und als er erfasst hatte, welcher
Anblick sich ihm bot, zuckte er unwillkürlich zurück. Ihr Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit
zertrümmert, es bestand nur noch aus einem einzigen blutverkrusteten Haufen aus
Fleisch und Knochen, auf dem Fliegen klebten. Die blonden Haare umrahmten sternförmig
das, was einmal ein Gesicht gewesen war, und sie wirkten so skurril wie fehl am
Platz.
    »Selbstmord
scheidet mit hoher Wahrscheinlichkeit aus«, sagte der Rechtsmediziner trocken, und
der Kriminalhauptkommissar musste wider Willen grinsen.
    »Außerdem
ist auf sie geschossen worden«, erklärte Dr. Sinzig ungerührt und fügte hinzu: »Zweimal.
Ob ihr Gesicht vorher oder nachher zertrümmert wurde, kann ich erst nach der Sektion
sagen.«
    Der Kriminalhauptkommissar
spürte, wie trotz der mehr als 33 Grad Außentemperatur eine Gänsehaut von seinen
Fußspitzen bis zu seiner Kopfhaut kroch. Es war immer so. Wurde er zu einer Leiche
gerufen, war sein erster Impuls, zu flüchten. War er jedoch vor Ort, packte ihn
der Jagdinstinkt, und je grauenvoller ein Toter oder eine Tote zugerichtet waren,
desto verbissener begann er, an dem Fall zu arbeiten.
    Er beugte
sich dicht über die Leiche. Arme und Beine waren weit vom Körper abgespreizt. Die
Haltung wirkte unnatürlich.
    »Ihr Mörder
muss das so arrangiert haben«, sagte Sinzig, und der Kriminalhauptkommissar fragte
sich, ob er Gedanken lesen konnte.
    »Wo sind
die Einschüsse?«, wollte er wissen.
    Der Rechtsmediziner
zeigte auf eine Stelle unterhalb ihrer Brust. »Dieser Schuss hier hat ihre Lunge
erwischt, der zweite ging mitten ins Herz. Das war wahrscheinlich der tödliche.«
    Rössner
fuhr sich mit der Zunge über die
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