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Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Bärbel Böcker
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wieder ernst und sagte: »Komm zu mir heute Abend.«
    Jana reagierte
nicht.
    »Ich koche
uns etwas, und dann …«
    »Nennst
du mich Sabrina?« Sie blitzte ihn an.
    Florian
atmete tief durch. »Natürlich nicht.« Er zog sie an sich und wollte sie küssen,
aber sie entzog sich ihm.
    »Hör auf.
Du weißt, es kann jeden Moment jemand herein kommen.«
    »Na und?
Jana …«
    »Ja?«
    »Sabrinas
Tod hat mich sehr mitgenommen, das ist alles. Ich frage mich natürlich, wer ihr
das angetan hat.« Florian berichtete von ihrem zertrümmerten Gesicht.
    Jana sah
ihn lange an. »Ich weiß auch nicht, warum ich so reagiere … entschuldige. Es ist
nur … sie ist so unglaublich präsent.«
    »Komm, du
wirst doch nicht eifersüchtig auf eine Tote sein?«
    Jana seufzte.
    »Was hältst
du davon, wenn wir gleich verschwinden?«
    »Du meinst
… jetzt ?«
    »Warum nicht?
Wir nehmen uns einfach frei.« Die Redakteure bei Profi Entertainment konnten
sich ihre Arbeitszeit selbst einteilen.
    Sie war
unschlüssig, aber nach einem Moment sagte sie: »Okay, unter einer Voraussetzung.«
    »Und die
wäre?«
    »Ich nehme
meinen Laptop mit, logge mich bei dir zu Hause ins System der Rechtsmedizin ein,
und dann schauen wir uns einmal in aller Ruhe ihren Obduktionsbericht an.«

Dienstag, 05. Juli
     
    Die Abendvorstellung war beendet.
Dele Sanchi, die seit fast zwei Monaten in Deutschland war, suchte zwischen den
Zuschauerbänken nach liegen gebliebenen Popcorntüten, Eispapier und anderem Müll,
den die Gäste des Circus Roncalli hatten fallen lassen, und steckte ihn in
einen blauen Plastiksack, den sie hinter sich her schleifte. Wie immer waren die
Bänke und Logen voll besetzt gewesen, und wie immer hatte es nach der Vorstellung,
als alle Künstler noch einmal gemeinsam in die Manege kamen, um sich ein letztes
Mal vor dem Publikum zu verneigen, tosenden Applaus gegeben.
    Während
der Vorstellung stand Dele meist in das schützende Dunkel des Hauptganges gepresst
und verfolgte gespannt die Show. Sie konnte sich nicht satt sehen daran. Kurz bevor
nach der ersten Programmhälfte zur Pause gegongt wurde, legte sie rasch eine weiße
Haube und Schürze an und schnallte sich ihren Bauchladen um, und wenn die bunten
Lichter angingen, lief sie 15 Minuten zwischen den Zuschauerreihen umher und verkaufte
Brezeln und Süßigkeiten. Wenn auch der zweite Programmteil vorbei war, die Künstler
sich ein letztes Mal vor dem Publikum verbeugt hatten und sie Haube und Schürze
längst gegen den grauen Kittel getauscht hatte, um im grellen Scheinwerferlicht
die Reste des Abends aufzusammeln, überfiel sie oft diese Traurigkeit.
    Dele atmete
tief durch und ließ den Blick zur Manege schweifen. Wie lange war es her, seit sie
selbst dort gestanden hatte? Sie hatte mit bunten Bällen jongliert wie Gino, der
Italiener, der jedes Mal in ihre Richtung blickte, wenn er sich vor dem Publikum
verneigte, und der ihr das Gefühl gab, seine Kusshand gelte nur ihr.
    »Die haben
viel liegen lassen heute, was?«, hörte sie Pippa, eine junge Frau aus dem Baskenland,
zwei Reihen hinter sich sagen. »Diese Dreckschweine«, schimpfte die Spanierin.
    »Sí«, antwortete
Dele, aber sie hatte sich inzwischen an die Achtlosigkeit der Menschen gewöhnt.
Pippa und sie teilten sich einen Wohnwagen, und Dele überlegte, ob sie heute Abend
noch gemeinsam etwas kochen würden. Hin und wieder brieten sie sich auf dem Gasherd
ein Ei oder sie kochten ein paar Nudeln, und manchmal bereitete Dele auch für sie
und jeden, der außerdem mitessen wollte, Maisfladen zu. In ihrer Heimat in Guatemala
hatten sie die Tortillas beinahe täglich gegessen, und sie war stolz darauf, die
beste Fladenbäckerin des kleinen Dorfes gewesen zu sein.
    Während
sie sich nach einem zerknüllten Papiertaschentuch bückte, überlegte sie, wann sie
selbst das letzte Mal ein Zirkuskostüm getragen hatte. 13 Jahre waren bereits seit
jenem Abend vergangen, doch sie erinnerte sich noch immer an jede Einzelheit. Manchmal,
wenn sie nachts im Wohnwagen lag, kam es vor, dass sie von jenem Abend träumte und
sich schweißgebadet hin und her wälzte, und viel zu oft schrie sie im Schlaf. Dann
weckte Pippa sie auf, und meist lag sie danach noch lange wach.
    Schlechte
Erinnerungen sind wie Moskitos, die einen stechen, dachte Dele und sagte sich: Bei
mir wurde ein eitriges Geschwür daraus. Entschlossen lenkte sie ihre Gedanken
auf das Kostüm, das sie damals getragen hatte. Gelb war es gewesen, sie hatte es
selbst genäht, und die
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