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Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Zirkus Mortale: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Bärbel Böcker
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goldlackierten Maiskörner, die sie und ihre Mutter darauf
geklebt hatten, waren der einzige Schmuck gewesen. Einmal im Jahr hatte sie Gelegenheit
gehabt es zu tragen, dann, wenn der Wanderzirkus nach Cobán kam.
    Mit sechs
Jahren hatte sie zum ersten Mal eine Zirkusvorstellung besucht, und sofort hatte
sie das Zirkusleben gefangengenommen. Vor allem die Kunststücke des alten Jongleurs
hatten sie in ihren Bann gezogen. Mit sieben hatte sie ihn nach der Vorstellung
besucht, und er führte ihr einige Geschicklichkeitsübungen vor. Als sie acht war,
schenkte er ihr ein paar Bälle, und fortan übte sie beinahe täglich mit ihnen. Ihre
Geschwister hatten sie oft deswegen verlacht, manchmal auch die Bälle im Mais versteckt.
Mit 13 war sie zum ersten Mal im Wanderzirkus aufgetreten, dann mit 14, und ein
letztes Mal an dem Tag, an dem sie 15 geworden war, und den sie am liebsten aus
ihrem Gedächtnis gestrichen hätte.
    Mechanisch
griff Dele nach einem Programmheft, das auf dem Boden lag. Sie hatte es schon in
der Hand, da stutzte sie und sah noch einmal genauer hin. Unter dem Heft, halb verborgen
im Dreck der Erde, lag eine zierliche Armbanduhr. Sie kratzte sie frei, und auf
einmal funkelten Brillanten sie an, die das goldene Gehäuse einrahmten. Geisteraugen ,
dachte sie und fragte sich, ob es gute oder böse Geister waren. Sollte sie die Uhr
einstecken? Oder sollte sie sie abgeben? Vielleicht bekäme sie einen Finderlohn.
Dele schluckte. Dann atmete sie tief ein, faltete die Hände und schloss die Augen.
Nach kurzer Zeit war sie sicher: Diese Uhr hatte ihr der Himmel geschickt. Sie war
eine Reserve für den Notfall, und der Herr würde ihr vergeben, wenn sie die Uhr
jetzt einsteckte. Ein Stoßgebet kam über ihre Lippen. Schnell sah sie sich um, dann ließ
sie die Uhr in der Tasche ihres Kittels verschwinden.

Mittwoch, 06. Juli
     
    Sabrina war durch einen Streifschuss
an der Lunge und einen glatten Herzschuss getötet worden. Die Kugeln hatten noch
in ihrem Körper gesteckt. Die Hämatome an ihren Unterarmen waren etwa acht Stunden
vor ihrem mutmaßlichen Todeszeitpunkt zwischen 23 Uhr und 24 Uhr entstanden, also
zwischen 15 Uhr und 16 Uhr. Dr. Sinzig konnte es der Färbung entnehmen. Ihr Gesicht
war mit einem schweren Gegenstand zertrümmert worden, vermutlich einem scharfkantigen
Stein, aber die Spurensicherung hatte ihn nicht ausfindig gemacht, auch die Waffe
blieb unauffindbar. Es gab Schürfwunden und Kratzer an Armen und Beinen. Besonders
interessant fand Florian, dass sich in ihrer Vagina Spermien befunden hatten. Ihrer
Beweglichkeit nach zu urteilen, hatte Sabrina nur wenige Stunden vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr
gehabt. Im Obduktionsbericht war darüber hinaus vermerkt worden, dass sie einige
Stunden vor ihrem Tod noch etwas gegessen und getrunken hatte.
    Er und Jana
hatten sich gefragt, mit wem sie geschlafen hatte. Mit Sam? Oder mit einem anderen?
Mit ihrem Mörder? Hatte sie ihr letztes Mahl allein oder zusammen mit dem Mörder
eingenommen?
    Sie hatten Profi Entertainment gegen 14 Uhr verlassen und waren direkt zu ihm nach Hause
gefahren. Dort hatten sie sich den Nachmittag über geliebt. Gegen Abend hatten sie
zwei Pizzen bestellt, und irgendwann hatte Jana sich an die Arbeit gemacht. Innerhalb
von 30 Minuten hatte sie gefunden, was sie suchte. Während er sie vom Bett aus beobachtete,
wie sie, nur in Slip und BH, mit konzentrierter Miene die Tastatur des Laptops bearbeitete,
hatte er wieder den altbekannten Respekt vor ihr gespürt, der ein wenig in Vergessenheit
geraten war. Damals, als sie ihm dabei geholfen hatte, den Mörder seines besten
Freundes Max zu finden, hatte sich sein Bild von ihr verändert. Hinter der schönen,
scheinbar unbedarften Frau, die nicht viel Aufhebens um sich machte, verbarg sich
eine kompetente Hackerin, die sich nicht scheute, Gesetze zu brechen, jedenfalls
dann, wenn sie ihr Tun moralisch rechtfertigen konnte.
     
    Während Florian nun am Reiterhof
vorbei Richtung Tennisclub ging, richtete er seine Gedanken auf das, was ihn erwartete:
Das Gespräch mit Sabrinas bester Freundin Marlies. Als er die Tür des Clubhauses
öffnete, schlug ihm Stimmengewirr entgegen. Einige Spieler standen an der Theke
und unterhielten sich leise über Sabrinas Tod, andere diskutierten über die deutsche
Finanzhilfe für Griechenland. Florian bestellte eine Johannisbeerschorle und beeilte
sich, hinaus auf die Terrasse zu kommen, froh, dass unter den Spielern niemand war,
den er
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