Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin
Autoren: Bruce Sterling
Vom Netzwerk:
muß. Ich glaube an eine geordnete Gesellschaft. Die Technologie hat unermeßliche Kräfte freigesetzt, die eine Gesellschaft auseinanderreißen können. Da muß eben eine Partei alles zusammenhalten. Wir sind die Neugeformten und besitzen die Weisheit und die Zurückhaltung, human zu handeln. Darin sehe ich die Rechtfertigung für meine Arbeit.« Er machte eine Pause. »Ich erwarte auch nicht, daß ich den Tag unseres Triumphes noch sehen werde. Wahrscheinlich werde ich in irgendeinem Buschkampf sterben oder ermordet werden. Mir reicht die Gewißheit, daß dieser Tag kommen wird!«
    »Wie grauenvoll arrogant, Hauptmann!« stieß sie plötzlich hervor. »Diese Arroganz Ihres unwichtigen Lebens und des unwichtigen Opfers! Nehmen Sie die Schwärmer, wenn Sie wirklich nach einer humanen und vollkommenen Ordnung suchen, haben Sie sie hier, wo es immer warm und dunkel ist, gut riecht, Nahrung leicht zu beschaffen ist, alles immer wieder vollkommen aufbereitet wird. Die einzigen Ressourcen, die verlorengehen, sind die Körper der Paarungsschwärme und ein bißchen Luft, wenn die Arbeiter zur Ernte aus den Luftschleusen gehen. Ein Nest wie dieses hier kann Hunderttausende von Jahren ohne jede Veränderung überdauern. Überlegen Sie: Hunderttausende von Jahren! Wer oder was wird sich nicht an unsere blöde Partei auch nur in tausend Jahren erinnern?«
    Afriel schüttelte den Kopf. »Das ist kein stichhaltiger Vergleich. Wir sehen nicht so weit voraus. In tausend Jahren sind wir entweder zu Maschinen oder Göttern geworden.« Er faßte sich an den Kopf. Seine Samtmütze war weg. Zweifellos fraß jemand sie inzwischen auf.
    Der Tunneler führte sie noch tiefer in das schwerelose Wabenlabyrinth des Asteroiden hinein. Sie sahen die Puppenstuben, wo bleiche Larven in Seide gewickelt lagen. Dann die Hauptschwammgärten, die Gräberschächte, wo Arbeiter mit Flügeln unentwegt die heiße, stickige Luft, die durch Zersetzung entstand, bewegten. Ätzende, schwarze Schwämme fraßen die Leichen auf und sonderten sie als schwarzen Staub ab, der von den Arbeitern, die ganz schwarz und schon selbst zu drei Vierteln tot waren, weggeschleppt wurde.
    Später ließen sie den Tunneler los und trieben allein weiter. Die Frau bewegte sich mit der Leichtigkeit und Anmut, die lange Übung verriet. Afriel folgte ihr, stieß aber immer wieder mit quiekenden Arbeitern zusammen, von denen es Tausende gab, die sich an der Decke, den Wänden und dem Boden sammelten und aus allen Richtungen kamen.
    Danach besichtigten sie die Kammer der geflügelten Prinzen und Prinzessinnen und ein hallendes, rundes Gewölbe wo krummbeinige, etwa vierzig Meter lange Geschöpfe reglos in der Luft hingen. Ihre Körper hatten Segmente und schillerten metallisch; an ihrer Brust saßen organische Raketendüsen, wo man Flügel erwartet hätte. An langen Stangen trugen sie auf den schmalen Rücken große Radarantennen. Sie sahen eher wie interplanetare Sonden aus als biologische Wesen. Arbeiter fütterten sie pausenlos. Die gewölbten Leiber mit den Tracheen waren mit unter Druck stehendem Sauerstoff gefüllt.
    Mirny erbettelte von einem vorbeikommenden Arbeiter ein großes Stück Schwamm, indem sie kräftig an seine Antennen tippte, wodurch sie einen Reflex auslöste. Sie gab das meiste des Schwammes an die beiden Sprungschwänze weiter, die es gierig verschlangen und auf mehr warteten.
    Afriel brachte seine Beine in den Lotussitz und fing an, entschlossen auf dem lederartigen Schwamm herumzukauen. Er war zäh, schmeckte aber gut, wie Rauchfleisch – eine Terra-Delikatesse, die er nur einmal gekostet hatte. In einer Former-Kolonie bedeutete Rauchgeruch eine Katastrophe.
    Mirny verharrte in eisernem Schweigen. »Nahrung ist kein Problem«, meinte Afriel fröhlich. »Wo werden wir schlafen?«
    Sie zuckte die Achseln. »Irgendwo … es gibt unbenutzte Tunnel und Nischen. Ich nehme an, daß Sie die Kammer der Königin als nächstes sehen wollen.«
    »Ja, natürlich!«
    »Ich muß noch mehr Schwamm besorgen. Die Krieger, die Wache halten, müssen mit Essen bestochen werden.«
    Sie sammelte einen Arm voll Schwamm von einem anderen Arbeiter und führte Afriel durch einen anderen Tunnel. Afriel hatte schon vorher die Orientierung in diesem Irrgarten von Kammern und Tunneln verloren. Jetzt kannte er sich gar nicht mehr aus. Schließlich gelangten sie in eine riesige, dunkle Höhle, die nur von der Infrarotstrahlung des gewaltigen Körpers der Königin erhellt wurde. Hier war die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher