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Zikadenkönigin

Zikadenkönigin

Titel: Zikadenkönigin
Autoren: Bruce Sterling
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zentrale Produktionsstätte der Kolonie. Obwohl die Königin aus warmem Zellengewebe bestand, konnte sie ihre eigentliche industrielle Eigenschaft nicht verbergen. Vorverdauter Schwammbrei wanderte tonnenweise in die rutschigen Scheinkiefer am einen Ende. Die runden Fleischmassen verdauten und beförderten ihn weiter; dabei saugte, schlängelte und drehte sie sich mit lautem Gurgeln und Schmatzen, das so regelmäßig wie die Stöße einer Maschine kam. Aus dem anderen Ende floß ein ständiger Eistrom wie auf einem Fließband heraus. Jedes Ei war in eine dicke, rutschige Hormonmasse eingehüllt. Die Arbeiter leckten eifrig die Eier sauber und trugen sie in die Brutkammern. Jedes Ei hatte etwa die Größe eines männlichen Torsos.
    Die Produktion lief unaufhörlich. In diesem lichtlosen Kern des Asteroiden gab es weder Tag noch Nacht. In den Genen dieser Kreaturen war keine Spur mehr von einem Tagesrhythmus vorhanden. Der Produktionsfluß war so beständig und regelmäßig wie das Fließband einer automatischen Bergbauanlage.
    »Deshalb bin ich gekommen«, flüsterte Afriel andächtig. »Sehen Sie sich das nur an, Doktor! Die Mechanisierer haben computergesteuerte Abbaumaschinen, die unseren um Generationen voraus sind. Aber hier – in den Eingeweiden dieser namenlosen, kleinen Welt, gibt es eine genetisch gesteuerte Technik, die sich selbst ernährt, wartet, bedient und endlos, rationell und unter Ausschaltung des Verstandes läuft. Es ist die perfekte organische Maschine. Die Partei, die sich dieser unermüdlichen Arbeiten bedienen kann, wird zu einem industriellen Giganten. Da unsere Kenntnisse in Biochemie unübertroffen sind, sind wir Former genau die richtigen Leute dafür.«
    »Und wie wollen Sie das machen?« fragte Mirny, ohne ihre Skepsis zu verbergen. »Sie müßten eine befruchtete Königin bis in unser Sonnensystem transportieren, selbst wenn die Investierer es uns gestatten würden, was ich bezweifle.«
    »Ich brauche keine vollständige Kolonie«, erklärte Afriel geduldig. »Ich brauche nur die genetischen Daten eines Eies. Unsere Labors in den Ringen könnten danach jede beliebige Anzahl klonen.«
    »Aber die Arbeiter sind ohne den Rest der Kolonie, der ihnen die Befehle gibt, nutzlos. Sie brauchen die Pheromone, um ihre Verhaltensweisen auszulösen.«
    »Genau«, sagte Afriel. »Rein zufällig verfüge ich über diese Pheromone in konzentrierter Form. Jetzt muß ich sie nur noch ausprobieren. Ich muß den Beweis erbringen, daß ich damit die Arbeiter dazu bringen kann, meine Befehle auszuführen. Sobald ich das bewiesen habe, bin ich ermächtigt, die erforderlichen genetischen Daten zurück zu den Ringen zu schmuggeln. Den Investierern wird das gar nicht recht sein. Es spielen natürlich auch moralische Bedenken eine Rolle, zumal sie genetisch noch nicht so weit entwickelt sind wie wir. Aber mit den Gewinnen, die wir machen, werden wir ihr Wohlwollen schon zurückkaufen. Am wichtigsten ist aber, daß wir die Mechanisierer in ihrem eigenen Spiel schlagen können.«
    »Sie haben die Pheromone hierher mitgebracht?« erkundigte sich Mirny. »Haben die Investierer nicht Verdacht geschöpft, als sie sie fanden?«
    »Jetzt haben Sie sich gründlich geirrt«, sagte Afriel. »Sie glauben, daß die Investierer unfehlbar sind. Das ist keineswegs so. Eine Rasse ohne Neugier wird nie jede Möglichkeit so erforschen, wie wir als Former es tun.« Afriel zog sein rechtes Hosenbein hoch und streckte das Bein aus. »Sehen Sie diese Krampfader an. Diese Beschwerden sind bei Leuten, die lange in Schwerelosigkeit gelebt haben, durchaus nicht selten. Diese Vene ist aber künstlich gestaut und die Außenwände sind chemisch behandelt worden, damit die Osmose verringert wird. In der Vene sind zehn verschiedene genetisch behandelte Bakterienkolonien, von denen jede ein bestimmtes Schwärmer-Pheromon produzieren kann.«
    Er lächelte. »Die Investierer haben mich sehr genau abgesucht, sogar mit Röntgenaufnahmen. Natürlich bestanden sie darauf, alles zu wissen, das an Bord mitgeführt wird. Aber die Vene sieht beim Röntgen völlig normal aus; die Bakterien stecken in Fächern innerhalb der Vene. Man kann sie nicht aufspüren. Ich trage eine kleine medizinische Ausrüstung an mir; dabei ist auch eine Spritze. Wir können damit die Pheromone heraussaugen und ausprobieren. Wenn die Tests vorüber sind – ich bin eigentlich ganz sicher, daß sie erfolgreich verlaufen werden, ich setze sogar meine Karriere aufs Spiel –
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