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Zigeunerprinz

Titel: Zigeunerprinz
Autoren: Jennifer Blake
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Sie hatte weitere Fortschritte gemacht. Statt immer nur in einem Sessel in ihrem Zimmer zu sitzen, nahm sie nun die Mahlzeiten gemeinsam mit den anderen ein und gesellte sich oft im Salon zu ihnen. Sie hatte ihren Morgenrock wieder gegen gewöhnliche Kleidung getauscht. Sie hatte geglaubt, auf ihr Korsett verzichten zu müssen, aber bald entdeckt, daß das fischbeinverstärkte Kleidungsstück, solange es nicht zu eng geschnürt war, ihre heilenden Rippen wohltuend stützte. Das Wissen ließ sie hoffen, daß sie eher als erwartet abreisen könnten.
    In Louisiana war es bereits Frühling, doch in Paris wollte der Winter nicht weichen. Trotz der schwellenden Knospen an den Bäumen und der fröhlichen Schlüsselblumen auf den Fensterbrettern waren die Tage immer noch grau und oft von kaltem Nieselregen durchzogen. An einem solchen Tag trat Trude zu Mara in den Salon.
    Mara hatte versucht zu sticken. Sie lag auf einem Sofa unter einem der hohen Fenster, die auf den Eingangshof zeigten, denn dort war es hell genug, um das blasse Muster zu erkennen, dem sie folgte. Als die andere Frau einen Stuhl heranzog, steckte Mara die Nadel in das im Rahmen festgespannte Leinen und warf es dankbar beiseite.
    »Ich wollte Ihnen noch etwas sagen«, erklärte ihr Trude mit Trauermiene.
    »Das klingt wirklich ernst«, neckte Mara sie. »Worum geht es denn?«
    »Früher habe ich geglaubt - ich habe geglaubt, ich liebe Roderic. Ich weiß jetzt, daß ich das nur deswegen tat, weil er mein Prinz, mein Führer und ein gutaussehender Mann ist.«
    Das Lachen wich aus Maras Augen. »Und jetzt?«
    »Jetzt weiß ich, daß es mehr dazu braucht. Ich werde ihn ehren, ich werde ihm folgen, vielleicht werde ich ihn auch ein bißchen lieben. Aber mehr nicht.«
    »Es wird ... ein Verlust für ihn sein.« Mara wußte nicht, was sie sonst , auf eine so einfache Feststellung antworten sollte.
    »Das glaube ich nicht. Ich liebe Sie ebenfalls. Ich werde zufrieden sein.«
    »Trude, Sie dürfen nicht glauben -«
    »Ich glaube nicht, ich weiß. Er liebt Sie. Ich möchte Ihnen sagen, daß Sie mir nichts wegnehmen. Ich werde ebenfalls geliebt.«
    Abgelenkt fragte Mara: »Estes?«
    Zarte Röte stieg in die Wangen der Amazone. »Der Graf. Er ist süß, nicht wahr? Er bringt mich zum Lachen. Das gefällt mir. Und er kennt die Frauen. Auch das gefällt mir.«
    Mara versuchte, sich den Italiener und die große blonde Frau in einer leidenschaftlichen Umarmung vorzustellen, aber ohne Erfolg. Vielleicht hatte Trude gar nicht gemeint, daß Estes Erfahrung mit Frauen hatte, sondern daß er um ihre Bedürfnisse wußte. Sie würde es nie erfahren, aber das war auch nicht wichtig. Sie streckte die Hand aus und ergriff die der anderen Frau. »Ich wünsche Ihnen viel Glück.«
    Trude lächelte und erwiderte den Druck. »Ihnen auch.«
    Ein paar Tage später hatte Angeline eine musikalische Soiree organisiert. Die Musik wurde von einem Zigeunertrio vorgetragen, die allesamt großartige Musiker waren. Vieles in der europäischen Musik, hatte Mara erfahren, hatte seine Wurzeln in den uralten Melodien und Rhythmen der Zigeuner, und viele der begabtesten Geiger hatten Zigeunerblut in ihren Adern. Es versprach ein einzigartiges Ereignis zu werden.
    Viele der Leute, die sie in Paris kennengelernt hatte waren zugegen: Aurore Dudevant, bekannt als George Sand, Dumas Vater und Sohn, Honore de Balzac, Victor und Adele Hugo. Es fiel auf, daß Lamartine und die übrigen Deputierten fehlten; sie waren viel zu beschäftigt.
    Die Musik war superb, die Melodien, die von den Saiteninstrumenten erklangen, waren aufregend, doch zugleich herzzerreißend rein und süß, fast wie Liebeskummer. Die abgehärteten Experten, die versammelt waren, applaudierten mit Tränen in den Augen und forderten Zugabe um Zugabe.
    Die Konversation war spritzig und scharfzüngig. Zum Großteil drehte sie sich, wie nicht anders zu erwarten, um die Politik. Man fühlte sich, so empfand es Mara, bereits vom neuen Regime enttäuscht. Die Kompromisse, die notwendig waren, um ein ganzes Volk zu führen, und das Fehlen von entschlossenen Maßnahmen, mit der sich verschlechternden wirtschaftlichen Lage fertig zu werden, wurden von der literarischen Elite kritisiert. Die Ideale der Reform schienen bereits verloren. Das einzig Überraschende daran war, meinte Roderic, daß die Franzosen, normalerweise große Realisten, davon überrumpelt worden waren.
    Mara trug ein Kleid aus blaßgelbem Satin für die Soiree. Sie fühlte sich
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