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Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)

Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)

Titel: Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
Autoren: Sabina Schneider
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aufzufüllen, die er nicht im Wald fand. Doch wie alle Geschichten beflügelten auch diese die Fantasie der Bewohner und keiner ging mehr in den Ostwald, wenn er es irgendwie vermeiden konnte.
    Dem einsiedlerischen Zorghk war das nur Recht. Wie die meisten seines Volkes war er schweigsam, unfreundlich und so gut wie immer schlecht gelaunt. In den Landen traf man selten auf Airen außerhalb des Teffelof Gebirges, ein karges Bergland, das nur wenig Raum zum Leben bot. Die Airen waren seit Zeitgedenken dort zuhause. Ein Volk so hart wie das Gebirgsgestein und auch so unbeugsam. Sie lebten dort seit ihrer Geschichtsschreibung, die bis zur Entstehung des Gebirges zurückreichte. Und die Airen würden dort bleiben, bis die Erde sich unter ihnen auftun und sie mit den Bergen verschlingen würde.
    Klein gebaut, aber kräftiger als jeder durchtrainierte Schmied des Vostokenvolkes, konnten die meisten ihrer Art einen durchgehenden Ochsen mit bloßen Händen in den Boden stampfen. Sie lebten mehr als doppelt so lang wie die Bewohner des Ostens und wurden häufig von den Vostoken spöttisch Zwerge oder Liliputaner genannt. Einigen, die politisch korrekt sein wollten, bezeichneten sie als kleinwüchsig. Würde man einem Airen die einzelnen Begriffe erklären, wären es wohl der politisch korrekten Begriff, der den meisten Unwillen erregen würde. Genauer gesehen, traf bei den Airen so gut wie alles auf Unwillen. Was man auch tat oder sagte, es hatte Grummeln, Schimpfen und Zanken zur Folge.
    Airen waren keine beliebten Gäste und keine guten Gastgeber. So schliefen ihre wenigen diplomatischen Beziehungen meist schnell wieder ein oder endeten durch ein unbedachtes Wort hier und eine Schimpftirade da in Kriegen. Viele hielten die Existenz des Airenvolkes im Teffelof Gebirge für Legenden und man traf nur selten einen Airen, der dies widerlegen wollen würde. Hatte jemand das Glück, auf einen Vertreter dieser übellaunigen Rasse zu treffen, wurde er an einem guten Tag ignoriert und an jedem anderen beschimpft und fortgejagt. Wenn er die Begegnung überleben sollte.
    Zorghk war durch und durch ein Airen, wenn auch sehr weit weg von zuhause, hielt er all diese Traditionen in Ehren. Mit niemandem reden und wenn doch, dann so viele Schimpfwörter dazwischen packen, dass man nicht wusste, wo der Satz anfing und die Beschimpfungen aufhörten. So kam es nicht selten vor, dass ein Besuch vergaß, aus welchem Grund er oder sie eigentlich gekommen war und so schnell wie möglich das Weite suchte.
    Auch vom Äußeren war Zorghk durch und durch Airen. Nicht viel größer als ein zwölfjähriges Kind der Vostoken, war er um einiges breiter und dehnte sich in einer Kugelform dreidimensional in den Raum aus. Sein Gesicht war vom vielen Grummeln von tiefen Falten durchfurcht. Sein volles feuerrotes Haar schien fast jeden Zentimeter seines Körpers zu bedecken. Den dichten roten Bart hatte Zorghk nach Airentradition vorne zu zwei Zöpfen und den hinteren Teil zu einem dicken Zopf geflochten. Wenn ein Airen das Mannesalter erreichte, wurden seine Haare zum ersten und einzigen Mal von der Frau seines Herzens geflochten.
    Nur Zorghks Augen waren nicht braun wie die Erde oder grau wie das Gestein, das die Airen ihr Zuhause nannten. Sie hatten die Farbe des Waldes und des Mooses, blitzen jedoch so selten unter den buschigen Augenbrauen hervor, dass es fast niemandem auffiel. Im Vergleich zu den abgerundeten Ohren der im Osten lebenden Vostoken, liefen seine kleinen Ohren oben spitz zu. Da sie aber in dem Gebüsch von Haaren kaum zu erkennen waren, wirkte Zorghks im Großen und Ganzen wie ein zu klein geratener, runder, wunderlicher und immer schlecht gelaunter Vostoke.
    …
    Zorghk war einige Monate nach dem Verschwinden ihres Vater s aus dem Nichts vor Serena aufgetaucht und hatte ihr mit seiner tief grollenden Stimme klar und deutlich gemacht, dass er sie nachmittags am östlichen Tor der Stadtmauer erwarten würde. Dann war er so schnell wieder verschwunden, wie er gekommen war. Die damals sechsjährige Serena hatte den übellaunigen kleinen Mann ein oder zweimal mit ihrem Vater sprechen sehen. Er hatte ihr damals einen Blick zugeworfen und sie dann ignoriert. Mit ihrem Vater hatte der kleine Mann seltsame Grunzlaute ausgetauscht, die für Serena keinen Sinn ergeben hatten.
    Aber das alles war nicht wichtig gewesen. Die kleine Serena wäre allem, was sie an ihren Vater erinnerte, solange gefolgt, bis ihre kurzen Beinchen unter ihr nachgegeben
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