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Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)

Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)

Titel: Zerelf (Von den Göttern verlassen) (German Edition)
Autoren: Sabina Schneider
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hätten. Und so lief sie kurzerhand direkt zum Osttor und wartete, bis der kleine Mann, dessen Namen sie nicht einmal kannte, wieder auftauchen würde. Er kam um die verabredete Zeit, gab Grunzlaute von sich, drehte sich um und lief los. Zu schnell, als dass die kleine Serena ihm ohne Weiteres hätte folgen konnte, doch langsam genug, damit sie ihn nicht aus den Augen verlor. Sie lief ihm nach, wie sie vorher ihrem Vater nachgelaufen war. Sie ließen die Stadtmauer hinter sich und betraten den Wald, der mit jedem Schritt dichter und dunkler wurde, als hätte die Sonne Schwierigkeiten, sich durch die vielen Bäume zu kämpfen.
    Nach einer langen Zeit kam eine Lichtung in Sicht, auf der eine kleine Holzhütte stand. Zorghk ging hinein, ohne sich umzudrehen, ohne sich zu versichern, dass ihm das kleine Mädchen folgte. Er ließ die Tür jedoch offen stehen. Als das Mädchen hinein stolperte, saß der kleine Mann in einem Schaukelstuhl, hatte die Augen geschlossen und wippte hin und her. Serena stand einfach nur da und schaute ihm zu, ohne einen Laut von sich zu geben. Der Airen, von Natur aus immer die Stille suchend, empfand diese zum ersten Mal als unangenehm. Er hätte sich jedoch nie eingestanden, dass ihn das kleine Mädchen nervös machte. Um das Gefühl loszuwerden und nur deshalb, blaffte er sie an, sie solle sich gefälligst hinsetzten. Serena folgte gehorsam.
    Sie tat eigentlich immer, was man ihr sagte, doch seit ihr Vater weggebracht worden war, machte sich keiner die Mühe, etwas zu ihr zu sagen. Nur , um die Stille zu füllen, begann der sonst so schweigsame Airen zu erzählen. Bevor er sich versah, erzählte er dem kleinen Mädchen, in einer Sprache, die nicht seine war, von seinem Volk. Er erzählte von den Legenden, den Geschichten, der Gegenwart, der Traditionen, Sitten und Gebräuche der Airen.
    Kurz bevor es dunkel wurde, erhob sich Zorghk aus seinem Schaukelstuhl, ging ohne ein Wort zu sagen zur Tür und trat in den Wald. Wieder folgte Serena dem Mann, dessen Namen sie noch immer nicht kannte. Sie lief ihm bis zur Stadtmauer nach, dann verschwand er plötzlich, als wäre er nie da gewesen. Da das kleine Mädchen nur einen Ort kannte, an den es gehen konnte, ging sie zurück in das kleine Holzhaus, mit dem Fass an der Wand, über dem ein kleiner verrosteter Spiegel hing.
    Auch am nächsten Tag begab sich die Kleine gegen Mittag zum Osttor. Wieder tauchte das kleine runde Männlein auf und wieder folgte Serena ihm tief in den Wald bis zu seiner kleinen Holzhütte. Ohne dass er sie diesmal aufforderte, setzte sie sich auf den kalten Boden und sah dem Mann beim Schaukeln zu. Auch diesmal erzählte der Mann von einem weit entfernten Gebirge, in dem das Volk der Airen lebte. Der Klang seiner Stimme war tief und fremd und manchmal gab der kleine Mann Laute von sich, die Serena nicht verstand, sagte dann aber ein Wort, das sie kannte und wiederholte den gleichen Laut. Nach einer Weile versuchte das kleine Mädchen die fremden Laute nachzuäffen. Was ihr gut genug zu gelingen schien, da der kleine Mann zufrieden grunzte.
    Und so kam es, dass das kleine Mädchen, Tag für Tag zum Osttor ging. Die ersten Male taucht der kleine runde Mann hinter dem Tor auf, doch dann kam er plötzlich nicht mehr. Das kleine Mädchen ging jedoch unbeirrt den Weg, den es sich schon beim ersten Mal eingeprägt hatte. Sie trat durch die offene Tür und fand ihn in seinem Schaukelstuhl auf und ab wippend.
    Neben ihm auf dem Boden, an der Stelle, an der Serena die letzten Male gesessen hatte, lag ein Kissen, auf das sie sich , ohne ein Wort zu verlieren, setzte. Einige Tage später befand sich neben dem Kissen ein kleiner Tisch. Dem Tisch folgte ein Buch, dem Buch ein anderes. Mal hatte es Zeichen, die Serena in der Schule lernte. Mal hatte es seltsame Muster von abgehackten groben Figuren, die sich hier und da wiederholte, aber keinen Sinn für Serena ergaben.
    Eines Tages fand sie ein Blatt auf dem Tisch. Auf dem waren Schriftzeichen untereinander aufgelistet, die sie kannte und dahinter Teile des Musters. Daneben lag ein leeres Blatt Papier und ein dünnes Stück Kohle.
    „ Hanjian ! Schreib!“, grunzte der Mann. Langsam wiederholte Serena das Gesagte und griff nach dem Kohlestift. Wie zuvor die Laute, kopierte sie nun die Linien und prägte sich das dazugehörige Zeichen ein, das sie aus der Schule kannte.
    So lernte Serena nicht nur die Geschichte der Airen, sondern auch die Sprache und die Schrift. Bald erzählte der kleine
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