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Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care

Titel: Zerbrechlich - Zerbrechlich - Handle with Care
Autoren: Jodi Picoult
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bekommen, Mr. O’Keefe. Das Herz, die Luftröhre und weitere wichtige Organe und Gefäße sind als Folge der angestauten Luft im Brustkorb auf die andere Seite des Körpers verschoben worden. Dank der Bülow-Drainage, also des Schlauchs, den wir gelegt haben, werden sie jedoch wieder dahin zurückkehren, wo sie hingehören.«
    »Keinen Sauerstoff«, wiederholte Sean, und die Worte blieben ihm im Halse stecken. »Reden wir hier von Hirnschäden?«
    »Das ist durchaus möglich. Allerdings müssen wir noch eine Weile warten, bis wir das wissen.«
    Sean beugte sich vor. Er ballte die Fäuste so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten. »Aber ihr Herz …«
    »Sie ist jetzt stabil. Allerdings besteht nach wie vor die Möglichkeit eines Herz-Kreislauf-Zusammenbruchs. Es lässt sich einfach nicht vorhersagen, wie ihr Körper auf unsere Rettungsmaßnahmen reagieren wird.«
    Ich brach in Tränen aus. »Ich will nicht, dass sie das noch einmal durchmacht. Ich kann nicht zulassen, dass sie ihr das noch einmal antun, Sean.«
    Der Arzt machte ein untröstliches Gesicht. »Vielleicht sollten Sie sich überlegen, eine DNR -Anordnung zu unterschreiben und einen entsprechenden Vermerk in die Krankenakte setzen zu lassen, damit derartige Wiederbelebungsmaßnahmen künftig unterbleiben.«
    Die letzten Wochen meiner Schwangerschaft hatte ich damit verbracht, mich auf alles gefasst zu machen, doch wie sich nun herausstellte, war ich nicht annähernd genug vorbereitet.
    »Denken Sie einfach mal darüber nach«, riet der Arzt.
    Vielleicht ist es ihr nicht bestimmt, hier bei uns zu sein , sagte Sean. Vielleicht ist das Gottes Wille.
    Und was ist mit meinem Willen? , entgegnete ich. Ich will sie. Ich habe sie immer gewollt.
    Verletzt schaute er mich an. Glaubst du, ich nicht?
    Aus dem Fenster konnte ich den abschüssigen Krankenhausrasen sehen, der ganz und gar mit glitzerndem Schnee bedeckt war. Es war ein strahlend schöner Tag, und niemand wäre je auf die Idee gekommen, dass hier vor Kurzem noch ein Blizzard gewütet hatte. Ein unternehmungslustiger Vater, der seinen Sohn beschäftigen wollte, hatte ein Tablett aus der Cafeteria mitgenommen. Darauf rodelte der Junge jauchzend den Hügel hinunter, dass der Schnee hinter ihm aufspritzte. Unten angekommen, kullerte er vom Tablett, stand auf und winkte zur Krankenhausfassade hinauf, wo ihm vermutlich jemand aus einem Fenster wie meinem zuschaute. Ich fragte mich, ob seine Mutter wohl gerade ein Baby bekommen hatte. Vielleicht lag sie ja direkt nebenan und lachte ihrem Sohn zu.
    Meine Tochter , dachte ich gedankenverloren, wird nie rodeln dürfen.
    Piper hielt meine Hand, während wir dich auf der Intensivstation besuchten. Der Schlauch ragte zwischen deinen Rippen hervor, und an den Armen und Beinen hattest du feste Verbände. Ich schwankte ein wenig. »Alles in Ordnung mit dir?«, fragte Piper.
    »Ich bin nicht diejenige, um die du dir Sorgen machen musst.« Ich schaute sie an. »Sie haben uns gefragt, ob wir einen Reanimationsverzicht unterschreiben wollen.«
    Piper riss die Augen auf. »Wer hat euch das gefragt?«
    »Dr. Rhodes …«
    »Der ist noch in der Facharztausbildung«, sagte Piper derart angewidert, als hätte sie ihn beschuldigt, Nazi zu sein. »Ein Azubi. Der kennt nicht mal den Weg zur Cafeteria, geschweige denn, dass er weiß, wie man mit einer Mutter sprechen muss, die gerade dabei war, als ihr Baby einen Herzstillstand erlitt. Kein Kinderarzt würde eine DNR -Anordnung für ein Baby empfehlen, solange nicht durch Tests bestätigt ist, dass tatsächlich ein irreversibler Hirnschaden vorliegt …«
    »Sie … sie haben sie vor meinen Augen aufgeschnitten«, berichtete ich mit zitternder Stimme. »Ich habe gehört, wie ihre Rippen brachen, als sie versucht haben, ihr Herz wieder zum Schlagen zu bringen.«
    »Charlotte …«
    »Würdest du so eine Anordnung unterschreiben?«
    Als Piper nicht darauf antwortete, ging ich auf die andere Seite deines Bettchens, sodass du zwischen uns lagst. »Sieht so der Rest meines Lebens aus?«
    Piper schwieg lange Zeit. Wir lauschten der Symphonie aus Surren und Piepen, die dich umgab. Ich sah dich im Schlaf zusammenzucken. Du hast deine winzigen Zehen gekrümmt und die Ärmchen ausgebreitet. »Nicht deines Lebens«, erwiderte Piper schließlich, »sondern Willows.«
    Noch am selben Tag habe ich, mit Pipers Worten in den Ohren, die DNR -Anordnung unterschrieben. Es war ein Flehen um Gnade in Schwarz auf Weiß … und zwischen den
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