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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition)
Autoren: Christopher Ride
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herrschte so düsteres Licht und der Regen war so laut, dass Wilson den ersten Wagen erst bemerkte, als er fast neben ihm war. Als der zweite Wagen vorbeirollte, kroch er aus dem Gebüsch hervor unter das Fahrgestell und hielt sich mit steifem Körper an den beiden Achsen fest. Einen Moment lang erleuchtete ein Blitz die ganze Szene, und Wilson betete, es möge ihn niemand entdecken.
    Blut und Wasser sammelte sich auf der Ladefläche zwischen den toten Rindern und sickerte bei jedem Schaukeln durch die Bretterritzen. Alle paar Augenblicke tropfte ihm die Brühe ins Gesicht und auf die Kleidung.
    Die Fleischkarren überquerten die Brücke, die den Graben überspannte, und rumpelten in das Östliche Blütentor. Genau gegenüber lag das Westliche Blütentor, durch das Randall Chen vor vierzig Jahren geflüchtet war. Der Lieferant beschwerte sich bei einem der Wächter lautstark über das Wetter, die Antwort war kurzes Gelächter.
    Ein paar Donnerschläge krachten, während die Karren durch den Torweg fuhren. Wilson sah die Beine von Eunuchen und Palastwachen, die dort vor dem Wetter Zuflucht gesucht hatten. Dann begannen Eunuchen, die Blutspur aufzuwischen, die die Wagen auf dem Granitpflaster hinterließen. Wilson wagte kaum zu atmen; ihre Wischmopps kamen ihm gefährlich nahe.
    Die Pferde trappelten langsam durch den langen Torweg und gelangten wieder ins Freie und den strömenden Regen, passierten eine schmale Brücke und einen weiteren Torweg, der in den östlichen Bezirk der Verbotenen Stadt führte.
    Alles lief genau nach Plan.
    Während Wilson über den Hof rannte, sah er erfreut, dass die imposante rote Tür mit den einundachtzig goldenen Beschlägen nur angelehnt war. Dem Auftragstext zufolge hatte dieser eine Türrahmen die Angewohnheit, bei feuchtem Wetter zu klemmen, weshalb die Palastdiener die Tür dann offen ließen. Wenn sie es nicht taten, konnte sie mitunter eine Woche lang nicht geöffnet werden, so stark quoll das Holz auf.
    Dahinter lag der Hof der Höchsten Harmonie, der heiligste aller zeremoniellen Plätze der Verbotenen Stadt.
    Als Wilson den Kopf durch den Spalt steckte, blickte er in die Gesichter von zwei Palastwachen, die vor dem Regen unter das Vordach geflüchtet waren. Sie kippten vor Schreck fast um.
    Wilson schoss die Erinnerung an sein Training mit Le Dan durch den Kopf. Der Shaolin-Meister hatte die bizarre Geschichte vom geheimen Auftrag des Esra-Buches gelassen aufgenommen. »Ich wusste, Sie haben etwas an sich, das für mich schwer zu durchschauen war«, hatte Le Dan ruhig lächelnd gesagt. »Dass Sie ein Zeitreisender sind, hätte ich nicht erwartet. Aber ich bin froh, dass mein Verstand nicht getrübt ist.«
    Wilson hatte zehn Stunden pro Tag trainiert – und am Abend den Selbstheilungsprozess in Gang gesetzt. Unter Le Dans fachmännischer Anleitung hatte er in der Kampfkunst enorme Fortschritte gemacht. Aber natürlich hatte er nicht alle hundertacht Bewegungen der Holzpuppe schaffen können. Das würde viele Jahre erfordern, selbst mit seinem außerordentlichen Lernvermögen.
    »Um eine Herausforderung zu bestehen, muss ein Mann Einschätzungen vornehmen«, hatte Le Dan erklärt. »Der Besiegte ist der Mann, der nicht alles bedacht hat. Alles bedacht zu haben bringt den Sieg. Wer etwas nicht bedenkt, unterliegt.«
    Wilson riss das Schwert aus der Scheide und flog auf die zwei Wachen zu, ehe sie selbst blankziehen konnten. Ihn überkam ein Gefühl der totalen Aggression. Mit einem gedämpften Schrei hieb er die Klinge durch den Hals des einen, um sie dem anderen dann in die Brust zu stoßen. Als er sie herauszog, zitterte er und fühlte sich von seinen Emotionen abgekoppelt.
    Er drückte die knarrende Tür zu, legte den Riegel vor und rannte durch den Regen über den überfluteten Platz. Er befand sich jetzt am heiligsten Ort von ganz China, dem Zentrum chinesischer Herrschaft seit fünfhundert Jahren.
    Als es blitzte, wurde Wilson ein erstaunlicher Anblick zuteil: Von drei gestuften Terrassen ergossen sich zahllose Sturzbäche aus den Mäulern Hunderter marmorner Drachenköpfe, die die Balustraden zierten. Wilson zog sich die Kapuze herunter und schlich die Marmorrampe hinauf.
    Der schwache Umriss der Halle der Höchsten Harmonie schälte sich aus dem Regendunst. Wilson staunte über die Kunstfertigkeit und lebendige Ausstrahlung der kaiserlichen Bauten. Durch die hohen Fenster drang Lichtschein, und Wilson meinte zu spüren, dass Randall Chen dort drinnen war.
    Während er
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