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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition)
Autoren: Christopher Ride
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durch solche Gruppen gab es noch einen Rest von Recht und Ordnung, nachdem in der Region infolge des Elends die Anarchie herrschte.
    »Wo ist Li Tang?«, fragte Randall.
    Nach einigem Zögern brummte einer, stach sein Schwert in den Boden und trat vor. Kurz schwenkten seine Augen zu denen, die auf der Außenmauer standen und ihm mit einer Geste anzeigten, dass keine Gefahr nahte. Voller Verachtung spuckte der Aufgerufene einen dicken Schleimklumpen aus, der zehn Schritte vor dem ungebetenen Gast auf dem Boden landete. »Ihr seid hier nicht willkommen, Fremder«, knurrte er.
    »Ich will eure Gefolgschaft«, erwiderte Randall.
    Li Tang lachte leise und schaute suchend über die verfallenen Gemäuer nach Anzeichen eines Hinterhalts. »Ich bin niemandes Gefolgsmann«, sagte er, während sein Blick endlich an den Edelsteinen am Gürtel des Fremden hängen blieb.
    »Ich werde euer Meister sein«, erklärte Randall.
    An Li Tangs Körper spannten sich die Muskeln. Plötzlich griff er an. Er würde es dem kaiserlichen Eindringling schon zeigen. Sein blauäugiger Kopf würde die Trophäe sein, und, noch besser, sein juwelenbesetzter Gürtel würde das ganze Dorf ein Jahr lang ernähren.
    Randall Chen rührte kein Glied, als der Mann auf ihn zuflog. Li Tang war ein begabter Kämpfer; Randall wusste das. Aber sein Können würde nicht annähernd ausreichen. Im letzten Moment beugte Randall die Knie, senkte seinen Schwerpunkt, drehte die Schultern zur Seite – jede Bewegung war perfekt. Mit unglaublicher Schnelligkeit nahm er den linken Arm zurück, um die rechte Faust nach vorn zu stoßen. Kein tödlicher Stoß, doch er streckte den Anführer der Großen Schwerter mit hörbarem Knacken zu Boden.
    »Du begreifst nicht, mit wem du es zu tun hast«, raunte Randall.
    Li Tang, der annahm, das sei bloß ein Glückstreffer gewesen, sprang auf und wurde von einem gedrehten Rückwärtstritt umgestoßen.
    Es war vollkommen still, als Randall den Kopf senkte und zwei Schritte zurücktrat. Er drückte die rechte Faust in die linke Handfläche, das Zeichen des Zen, und verbeugte sich respektvoll.
    Li Tang kniete im Schnee. Seine Wut über diese hochmütige Zurschaustellung kämpferischer Überlegenheit war groß. Mit einem trotzigen Schrei befahl er den Bogenschützen zu schießen.
    Sechs Pfeile verließen die Sehne und flogen auf den Eindringling zu.
    Im Kampfstil der Gottesanbeterin streckte Randall den tödlichen Geschossen beide Handflächen entgegen. Wie in Zeitlupe sah er sie kommen.
    Nach einer Drehung des Körpers flogen drei dicht an ihm vorbei. Ihr Luftzug bewegte ganz leicht die feine Seide seines Gewands. Nach einer leichten Neigung des Kopfs verfehlten zwei Pfeile knapp seine rechte Wange. Der sechste schoss mitten auf seine Brust zu. Mit einer schnellen Handbewegung, für das menschliche Auge nahezu unsichtbar, fing er den Pfeil dicht hinter der Spitze, hob ihn über den Kopf wie eine Trophäe und brach ihn zwischen den Fingern entzwei wie einen Zweig. Dann warf er ihn zu Boden.
    »Das kann ich euch lehren«, rief Randall den verblüfften Kämpfern zu. »Der Drachengott hat mich in Besitz genommen! Eure Schwerter, Pfeile und Kugeln können mich nicht verwunden.« Er legte die Hände zengemäß ineinander und beugte respektvoll den Kopf. »Schließt euch mir an, dann zeige ich euch das Geheimnis der Unsterblichkeit.«
    Li Tang stand auf. Auf seiner erhitzten Haut schmolz der haften gebliebene Schnee rasch. »Ich weiß nicht, wer Ihr seid, Fremder, aber Ihr gehört zur kaiserlichen Familie«, erwiderte er mit erhobenem Haupt. »Also seid Ihr korrupt und vergnügungssüchtig. Ihr gehört zu denen, die Shantung zehn Sommer lang im Stich gelassen haben. Seit meiner Knabenzeit schon vernichtet die Dürre unsere Ernten. Der Fluss ist viele Male über die Ufer getreten. Seuchen und Verbrechen herrschen in unseren Dörfern. Und Ihr habt nichts getan! Wir haben zusehen müssen, wie unsere Kinder und Frauen elend starben.«
    »Die weißen Barbaren haben Schuld an den Leiden des Volkes«, sagte Randall.
    Li Tang sah ihn hasserfüllt an. »Der Sohn des Himmels hat sie ins Land gelassen!«, höhnte er. »Und seit sie da sind, hat uns das Glück verlassen. Ihr hättet es wissen müssen! Die weißen Barbaren brachten uns Masern und Pocken. Ihr seid daran schuld! Ihr und Eure Schwäche für die abendländischen Teufel.«
    Randall behielt die Zen-Haltung bei. »Du hast recht, Li Tang. Vollkommen. Die Abendländer und die japanischen Teufel sind
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