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Zeitriss: Thriller (German Edition)

Zeitriss: Thriller (German Edition)

Titel: Zeitriss: Thriller (German Edition)
Autoren: Christopher Ride
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würde neu geschrieben werden, und er allein würde den Verlauf bestimmen.
    In der Festung Shantung konnte unmöglich jemand begreifen, dass er vor einem Mann stand, der hundertachtzig Jahre aus der Zukunft gekommen war. Doch die Zukunft war nicht der Ursprung von Randalls unglaublichen Kräften. Der Ursprung war ein Baum, ein alter Baum, der mehr als fünftausend Winter überstanden hatte und der mit der Seele des Planeten verbunden war. Sein Mark war es, das unvorstellbare Kräfte spendete: Unverwundbarkeit, Ausdauer, Schnelligkeit, sogar die Macht, die Auswirkungen der Zeit aufzuhalten.
    »China wird Krieg führen«, sagte Randall zu sich. »Einen heiligen Krieg.« Und seine Feinde würden zahllos und entschlossen sein. Das Abendland hatte China lange genug ausgebeutet. Die Invasoren hatten das Volk mit Opium betäubt, das Land seiner Bodenschätze und Ernten beraubt. Es war Zeit, ihrer Gefräßigkeit Einhalt zu gebieten. Endlich war im Osten eine neue Streitmacht erwacht, eine magische Streitmacht, die machtvoller war als alle bisherigen.
    Die Geschichte wird sich unwiderruflich ändern, dachte Randall.
    Der Boxeraufstand hatte begonnen.

38 Jahre früher

2.
Peking, China
Verbotene Stadt
Palast der Irdischen Ruhe
14. Juni 1860
Ortszeit: 14.04 Uhr
Unternehmen Esra – Tag 103
    Cixi stöhnte vor Wut. »Finde heraus, wer der Verräter ist!«, fauchte sie. »Er hat die Qing betrogen und muss bestraft werden! Seine Familie muss bestraft werden!«
    Li Lien-ying, Großeunuch am Drachenthron, und seine beiden Gehilfen standen im 45-Grad-Winkel vornübergebeugt und hefteten ihren Blick auf den glänzenden Steinboden.
    Die zornigen Schritte der kaiserlichen Gemahlin, die in ihrem Audienzraum auf und ab stürmte, klapperten durch die kühle Stille des Palastes. Sie konnte nicht glauben, dass die Qing bei Dalian so leicht besiegt worden waren. General Ling war allzu selbstsicher gewesen, stellte sie nun fest. Dennoch, er hatte immerhin eine Streitmacht befehligt, die fünfmal so stark war wie die der Briten und Franzosen. Sie kochte vor Wut. Er hatte versagt! Er hatte ihren Gemahl enttäuscht, den Sohn des Himmels, den siebten Kaiser der Qing-Dynastie. Er hatte das Reich der Mitte im Stich gelassen.
    Nun war China einmal mehr der Gnade der böswilligen Fremden ausgeliefert, wie schon nach dem ersten Opiumkrieg. Der anschließende Vertrag von Nanking war ein Desaster gewesen. Die Briten hatten Hongkong an sich gerissen und zusammen mit den Franzosen und den Deutschen in den Hafenstädten Shanghai, Ningpo, Futschou, Kanton und Amoy diplomatische Vertretungen eingerichtet. Sie verlangten sogar Vertretungen im Herzen des Landes – innerhalb der Mauern Pekings! Das würde sie nicht dulden. Noch würde sie jemals dem Handel mit Opium zustimmen. Eher würde sie von eigener Hand sterben. Und jetzt schien es, als begehrten auch die Amerikaner, Italiener, Russen und Japaner ein Stück von China. Cixi reckte schnuppernd die Nase in die Luft und verzog angewidert das Gesicht. Ihr war, als könnte sie den Verwesungsgestank der fremden Teufel riechen, wie er über die hohen Mauern des Palastes wehte.
    Sie verabscheute die abendländischen Völker mehr als alles andere auf der Welt. Sie betrieben den schimpflichen Opiumverkauf. Sie verlangten Rechte, die sie nicht verdienten. Sie wagten es, die Macht des Kaiserhofes herauszufordern. Wenn ihr Gemahl diesen Horden nicht mit strenger Haltung entgegentreten wollte, dann würde sie es selbst tun.
    »Ihr müsst Euren Zorn fahren lassen, Edle Kaiserliche Gemahlin«, riet Li Lien.
    Cixi näherte sich flink und fixierte ihn mit glühendem Blick. »Ist mein Zorn nicht schön?«, fragte sie ein wenig beißend.
    Der Großeunuch war ein imposanter Mann von einsachtzig, der am Hof alle überragte. Die durchschnittliche Größe der Chinesen betrug nur einen Meter fünfzig. Die kaiserliche Gemahlin selbst maß einen Meter sechzig. Wie die meisten der fast dreitausend Eunuchen, die in der Verbotenen Stadt lebten und arbeiteten, war Li Lien als kleiner Junge kastriert worden; man hatte ihm sowohl den Hodensack als auch den Penis entfernt. Der einzige intakte Mann, der sich nach Einbruch der Dunkelheit noch in der Verbotenen Stadt aufhalten durfte, war der Kaiser. Um seinen enormen Harem zu bewachen, war die Beschäftigung von Eunuchen, der sogenannten Halbmänner, ein notwendiges Übel. Nur so war zu gewährleisten, dass ein Kind, das in dem riesigen Palastkomplex empfangen wurde, tatsächlich sein
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