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Zeitlose Zeit

Zeitlose Zeit

Titel: Zeitlose Zeit
Autoren: Philip K. Dick
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Mond leben?« murmelte das Mädchen.
»Chronisch Unzufriedene«, sagte er schläfrig. »Normale Leute haben das nicht nötig. Normale Leute sind mit dem Leben zufrieden, so wie es ist.« Er schloß die Augen und hörte der Tanzmusik zu.
»Ist es schön auf dem Mond?« fragte das Mädchen.
»O Gott, es ist schrecklich«, sagte er. »Nichts als Gestein und Staub.«
»Wenn wir heiraten, möchte ich lieber in Mexico City leben«, sagte sie. »Da ist es teuer, aber sehr international.«
    Die Lektüre des Magazins in Ragle Gumms Händen erinnerte ihn daran, daß er jetzt sechsundvierzig Jahre alt war. Es war lange her, seitdem er mit dem Mädchen im Wagen gelegen und sich im Radio Tanzmusik angehört hatte. Ein süßes Mädchen, dachte er. Warum ist hier kein Foto von ihr? Vielleicht wissen sie nichts von ihr. Ein Teil meines Lebens, der nicht zählte. Keinen Einfluß auf die Menschheit hatte ...
Im Februar 1994 kam es im Stützpunkt Eins, der nominellen Hauptstadt der Mondkolonien, zum Kampf. Soldaten der nahen Raketenbasis wurden von Kolonisten angegriffen, und der Kampf tobte fünf Stunden lang. In dieser Nacht starteten auf der Erde Truppentransporter zum Mond.
Hurra, dachte er. Peng! Peng!
Nach einem Monat herrschte Krieg.
»Verstehe«, sagte Ragle. Er klappte die Zeitschrift zu.
»Ein Bürgerkrieg ist das Schlimmste«, sagte Mrs. Keitelbein. »Familie gegen Familie. Vater gegen Sohn.«
»Die Expansionisten ...« Er sagte mühsam: »Die ›Lunies‹ hatten auf der Erde nicht viel Erfolg.«
»Sie kämpften einige Zeit in Kalifornien, in New York und in ein paar großen Städten im Land. Aber nach dem ersten Jahr hatten die Leute von der ›Glücklichen Welt‹ hier das Sagen.« Mrs. Keitelbein lächelte ihn an; sie lehnte sich an die Theke und verschränkte die Arme. »Ab und zu durchschneiden ›Lunie‹-Partisanen nachts Telefonleitungen oder sprengen Brücken. Aber die meisten, die überlebt haben, sitzen in Konzentrationslagern in Nevada und Arizona.«
»Aber ihr habt den Mond«, sagte Ragle.
»O ja. Und wir sind praktisch autark. Wir haben die Bodenschätze, die Ausrüstung. Die ausgebildeten Leute.«
»Bombardieren sie euch nicht?«
»Nun, der Mond hält eine Seite von der Erde abgekehrt, wissen Sie.«
Ja, dachte er. Natürlich. Die ideale Militärbasis. Die Erde hat diesen Vorteil nicht. Irgendwann tauchte jeder Teil der Erde vor den Augen der Beobachter auf dem Mond auf.
»Alle unsere Pflanzen werden durch Hydrokultur erzeugt – in Behältern unter der Oberfläche. Sie können durch radioaktiven Niederschlag nicht verseucht werden. Und wir haben keine Atmosphäre, die den Staub mittragen und anderswo abladen könnte. Die geringere Schwerkraft läßt zu, daß ein Großteil des Staubes ganz verschwindet ... er treibt einfach davon, in den Weltraum hinaus. Auch unsere Einrichtungen sind unter der Oberfläche. Unsere Häuser und Schulen. Und ...« sie lächelte – »wir atmen künstlich erzeugte Luft, so daß uns auch Bakterien nichts anhaben können. Wir sind gesichert. Auch wenn wir weniger sind. Nur ein paar Tausend, um genau zu sein.«
»Und ihr habt die Erde bombardiert«, sagte er.
»Wir haben ein Angriffsprogramm. Aggressiv. Wir stecken Sprengköpfe in ehemalige Transportraketen und feuern sie auf die Erde. Eine oder zwei in der Woche ... dazu kleinere Attacken, Forschungsraketen, von denen wir genug haben. Und Kommunikations- und Nachschubraketen, kleine, für ein paar Farmhäuser oder eine Fabrik. Sie machen sich Sorgen, weil sie nie wissen, ob es eine große Transportrakete mit einem Wasserstoff-Sprengkopf ist oder nur etwas Kleines. Das bringt alles durcheinander.«
»Und das habe ich vorausberechnet«, sagte Ragle.
»Ja.«
»Wie gut war ich?«
»Nicht so gut, wie sie Ihnen erzählt haben. Lowery, meine ich.«
»Aha.«
»Aber auch nicht schlecht. Wir hatten Erfolg, auch wenn wir unsere Modelle mehr oder weniger aufs Geratewohl bestimmten ... Sie haben einige erwischt, vor allem die großen Transporter. Ich glaube, wir machen uns nur Sorgen um sie, weil wir nicht so viele davon haben. Wir neigen jetzt dazu, auf den Zufall zu verzichten. Sie erkennen das Modell, Sie mit Ihrer Begabung. Frauenhüte. Was man nächstes Jahr tragen wird. Okkulte Begabung.«
»Ja«, sagte er. »Oder eine künstlerische.«
»Aber warum wolltest du zu ihnen überlaufen?« fragte Vic aufgebracht. »Sie haben uns bombardiert, Frauen und Kinder getötet ...«
»Er weiß jetzt, warum«, sagte Mrs. Keitelbein. »Ich habe es an
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