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Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
Autoren: Hope Cavendish
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machen bräuchte.
     
    Nur wenige Tage später sollte ich erfahren, dass die Freundschaft mit Maddy Kingsbury offenbar nicht mein einziges Problem darstellte. Ich brachte mal wieder eine Lieferung Heilkräuter nach Gut Lanark, die diesmal Doctor Stamford dorthin bestellt hatte. Wie üblich nahm ein Diener in der Eingangshalle das Päckchen entgegen, als sich plötzlich eine Seitentür öffnete und Sir Lanark mich in einen angrenzenden Salon bat.
    Neugierig folgte ich der Aufforderung und nahm auf sein Geheiß hin auf einem Stuhl Platz.
    Lanark setzte sich mir gegenüber und blickte mich mit seinen wässrig-blauen Augen an.
    Ich blickte zurück.
    Er war von etwas untersetzter Gestalt und sein Haar wurde schon schütter, aber sein herablassendes Verhalten entsprach ganz dem hochherrschaftlichen Gutsherrn.
    Schließlich beugte er sich zu mir herüber.
    »Galveston, du bist doch ein recht gescheiter Geselle …«, er sah mir ernst in die Augen und ich bemühte mich, ein Grinsen zu unterdrücken. »Tüchtiger Bursche« und »gescheiter Geselle« – hier bahnte sich offenbar die nächste ermahnende Ansprache an, und alle wollten nur mein Bestes.
    »… zu gescheit zumindest, um dich mit solchem Gesinde, wie Miss Kingsbury abzugeben«, fuhr Lanark fort und legte mir dabei eine Hand auf das Knie.
    Ich kniff misstrauisch die Augen zusammen.
    Lanark rückte näher. »Wenn ein hübscher Bursche wie du sich hingegen mit den richtigen Leuten abgeben würde, könnte es nur zu seinem Vorteil sein«, flüsterte er mir ins Ohr und strich mir dabei mit dem Finger über den Hals.
    Abrupt stand ich auf, wodurch Lanark zurück auf seinen Stuhl fiel.
    »Ich weiß Euer Angebot zu schätzen, Sir«, erwiderte ich eisig, »aber ich bin mit meiner Arbeit für Mister Cavendish voll und ganz zufrieden und hege darüber hinaus auch keine weiteren geschäftlichen oder sonst wie gearteten Interessen.«
    »Schade«, antwortete Lanark gehässig. »Augenscheinlich weißt du nicht, was gut für dich ist.«
    Ohne ihm zu antworten, verließ ich den Raum.
     
    Am Nachmittag besuchte ich Maddy und berichtete ihr von dem Vorfall mit Lanark. Stirnrunzelnd hörte sie zu. »Ich habe bereits vermutet, dass Lanark derartige Neigungen haben könnte. Aber ich hätte gedacht, dass er etwas vorsichtiger wäre. Schließlich droht ihm der Scheiterhaufen, wenn bekannt wird, dass er jungen Männern den Vorzug gibt.«
    »Das halte ich zwar für barbarisch«, erklärte ich, »dennoch war mir seine Annäherung zuwider.«
    »Selbstverständlich war sie das!«, rief Maddy lachend aus. »Immerhin war es Sir Lanark! Brrrr!«
    Nun musste ich auch lachen. Obwohl sie etwas älter war als ich, nahm Maddy manchmal die Dinge erfrischend leicht.
    Dann wurde sie allerdings wieder ernst. »Vielleicht solltest du aber in nächster Zeit tatsächlich etwas vorsichtiger sein und mich eine Zeitlang nicht besuchen. Mit Lanark ist wiederum auch nicht zu spaßen.«
     
    Maddy zuliebe hielt ich mich an ihren Rat und blieb in den nächsten Tagen von ihr fern. Allerdings machte ich auch um Gut Lanark einen großen Bogen, was mir ganz gut gelang, da es glücklicherweise keine aktuellen Bestellungen von dort gab. So verbrachte ich ein paar ruhige, wenn auch ohne die Gesellschaft von Maddy, langweilige Tage. Ich hatte sie mittlerweile recht liebgewonnen und ihre Weltoffenheit und ihre Weitsicht überraschten mich immer wieder. Eigentlich war es seltsam, dass sie sich damit begnügte, in einem kleinen Ort wie North Berwick Dienste zu leisten, wo sie doch in einer Großstadt vielleicht mehr Chancen hätte.
    Allerdings hätte sie sich dazu ebenso wie ich als Mann verkleiden müssen, denn als Frau hatte man ohne den Schutz eines Ehegatten in unserer Zeit nicht viele Möglichkeiten. Und als besser gestellte Ehefrau war es wiederum verpönt, überhaupt irgendeinem Beruf nachzugehen.
    Diese und ähnliche Gedanken strichen mir durch den Kopf, als ich eines Nachts mal wieder von der Jagd heimkam. Ich ging am Hafen entlang, da ich noch keine Lust hatte, in meine enge Kammer zurückzukehren und noch ein bisschen die frische Meeresbrise genießen wollte. Es war eine für die Jahreszeit erstaunlich sternenklare Nacht und der beginnende Vollmond schien hell über die ruhige See und den Hafen. Aus der Hafentaverne erscholl noch fröhlicher Lärm, und gerade als ich daran vorüberschritt, torkelte der Mann heraus, den ich momentan am wenigsten zu sehen begehrte: Sir Lanark.
    »Ah, Galveston«, krähte er mir
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