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Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
Autoren: Hope Cavendish
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lauthals entgegen und wankte auf mich zu, »du bist mir noch was schuldig. Unsere Unterredung war noch nicht beendet.«
    Er fiel gegen mich und krallte sich an meinem Wams fest.
    Angewidert stieß ich ihn von mir weg, was mir natürlich keine große Mühe bereitete.
    Lanark fiel zu Boden.
    Dummerweise hielt er dabei immer noch mein Wams in den Händen.
    Er hatte sich so fest daran gekrallt, dass er es mir durch meinen Stoß vom Leib gerissen hatte.
    Und ich stand nun im hellen Mondlicht barbusig vor ihm.
    »Du bist ein Weib!«, keuchte er, während er sich schlagartig ernüchtert aufrichtete. »Ein dreckiges Weib!«
    Ich stürmte davon.
     
    In meiner Kammer packte ich hektisch meine Habseligkeiten zusammen, während ich fieberhaft überlegte, was ich nun tun sollte. Mir war klar, dass Lanark den Vorfall nicht auf sich beruhen lassen würde und dass meine Tage hier somit gezählt waren.
    Ich hätte den Gutsherrn auch einfach töten können.
    Aber ich hatte noch nie einen Menschen getötet.
    Ich hatte gelernt, mich von Tierblut zu ernähren. Daher erschien es mir falsch, einen Menschen jetzt nur zu töten, um meine Identität weiterhin zu vertuschen. Auch wenn es nur so eine niedere Kreatur wie Lanark war.
    Ein heftiges Klopfen an der Tür unterbrach meinen Gedankenstrom. Ich öffnete und vor mir stand, wie nicht anders erwartet, Sir Lanark, begleitet von Reverend Crox und einer Gruppe mit Hellebarden bewaffneter Männer.
    Ich überlegte, ob ich wohl stark genug war, sie alle zu überwältigen. Schließlich hatte ich nie gelernt, mit Menschen zu kämpfen und bislang nur meine vierbeinigen Mahlzeiten niedergerungen.
    Da begann der Reverend zu sprechen. »Galveston! Oder Miss Galveston!«, korrigierte er sich mit anzüglichem Blick auf meine mittlerweile wieder durch Männerkleidung verhüllte Figur. »Ich verhafte Euch hiermit wegen des dringenden Verdachtes der Hexerei. Eure Verhandlung ist für übermorgen anberaumt und Ihr werdet bis dahin in den Verliesen des Tantallon Castle in Gewahrsam genommen werden.«
    Ich spannte meine Muskeln an und sah ihn nachdenklich an. Wenn ich zunächst versuchen würde, mir eine der Hellebarden zu schnappen …
    »Es dürfte Euch vielleicht noch interessieren, dass wir auch Miss Kingsbury inhaftiert haben«, ergänzte der Reverend süffisant und ich horchte auf. »Sie wird separat bewacht. Und sollte eine von Euch beiden ihre Hexenkünste einsetzen, um zu fliehen, so wird die andere umgehend getötet. Ich kann Euch daher nur empfehlen, die Verhandlung abzuwarten.«
    Entsetzt sah ich ihn an. Meine Gedanken stürmten durcheinander. Ich konnte jetzt keinen Kampf riskieren, wenn ich Maddys Leben damit gefährdete. Ich würde mich also widerstandslos abführen lassen. Wenn ich vorab nicht herausfinden könnte, wo genau sie Maddy gefangen hielten, würde ich halt bis zur Verhandlung warten müssen, um einen Rettungsversuch für uns beide zu unternehmen.
    Ich blickte nachdenklich zu Boden. Vielleicht bestand ja eine geringe Chance, dass Maddy gar nicht so sehr auf meinen Schutz angewiesen war … Aber nein, das Risiko konnte ich nicht eingehen.
    Ich sah den Reverend an.
    »Und? Seid Ihr soweit?« fragte er, spöttisch die Augenbrauen hebend.
    Ich nickte nur stumm.
     
    Tantallon Castle lag etwa drei Meilen östlich von North Berwick direkt an der Küste. Die Burg war seit dem 14. Jahrhundert im Besitz der Familie Douglas und ihre Verliese wurden schon desöfteren zur Inhaftierung von North Berwicks Strafgefangenen benutzt. Ich hätte mir allerdings nicht träumen lassen, dass ich eines Tages einer von ihnen sein würde.
    Mein Kerker war – wie zu erwarten – kalt, dunkel und feucht. Aber das machte mir nicht viel aus. Ich war nur froh, dass ich gerade zuvor noch auf der Jagd gewesen war, so dass mich nun bis zur Verhandlung zumindest kein Durst quälen würde.
    Ich dachte über die Umstände meiner Verhaftung nach. Sir Lanark und Reverend Crox waren mitsamt ihrem Gefolge trotz der späten Stunde verdammt schnell zur Stelle gewesen. Das konnte nur bedeuten, dass sie sich bereits im Vorfeld für solch einen Zugriff gewappnet hatten. Ich hatte den Ernst der Situation offensichtlich unterschätzt.
    Ich fragte mich, was übermorgen auf Maddy und mich zukommen würde. Ich hatte früher in London schon von Hexenprozessen gehört, und dass die Verhandlung so früh anberaumt wurde, war eigentlich ungewöhnlich. Die angeklagten Frauen – und manchmal auch Männer – hatten in der Regel kaum eine
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