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Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
Autoren: Hope Cavendish
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für Auslieferungen benutzte, da meine Laufgeschwindigkeit zu auffällig gewesen wäre. Sie wies mich an, ein Stückchen westwärts die Küste entlang zu fahren.
    »Was fehlt der Mistress eigentlich?«, fragte ich nach einer Weile des Schweigens.
    »Im Grunde sind es nur die üblichen zyklischen Beschwerden«, antwortete sie. »Einige von uns haben halt stärker darunter zu leiden. Die Mistress verliert jedes Mal sehr viel Blut. Seit der Geburt ihrer Kinder ist ihre Konstitution ohnehin nicht mehr die Beste. Und dieser Quacksalber von Arzt hat sie auch noch zur Ader gelassen!«, schloss sie schnaubend.
    »Und woher habt Ihr Euer heilkundliches Wissen?«, fragte ich neugierig.
    »Ach, im Laufe der Jahre schnappt man so hier und da etwas auf«, antwortete sie ausweichend, als ich sie schließlich an ihrer einfachen Steinhütte absetzte.
     
    Auf der Rückfahrt machte ich an einem steinigen Strand Rast. Ich setzte mich auf eine felsige Landzunge und blickte auf die graue See, die von den beginnenden Herbststürmen gepeitscht wurde. Mistress Lanarks »zyklische« Beschwerden hatten mich nachdenklich gemacht.
    Es war inzwischen einige Monate her, seit ich verwandelt worden war, und Arlington hatte mir erklärt, dass mein biologisches Leben von nun an stagnieren würde. Ich würde nicht mehr altern, ewig jung bleiben, und ich würde auch nicht sterben, zumindest nicht auf natürlichem Wege.
    An meinen Zyklus hatte ich bislang keinen Gedanken verschwendet, aber natürlich gehörte auch er zu den Dingen, die in meinem Leben unwiederbringlich verloren waren. Ich würde niemals Kinder haben. Erneut regte sich in mir der Hass auf Travisham und Arlington, die mir all das genommen hatten.
     
    In den nächsten Tagen besuchte ich Miss Kingsbury gelegentlich und wir freundeten uns langsam an. Ihre Kenntnisse der Heilkunde waren sehr umfangreich und ich bat sie, mir etwas davon beizubringen.
    Vorsichtig sah sie mich an. »In der Stadt sieht man es nicht gerade gern, dass ich den Kranken helfe. Vor allem Doctor Stamford bin ich natürlich ein Dorn im Auge. Und er hat recht einflussreiche Freunde.«
    Ich erwiderte ihren Blick. »Aber Ihr habt Euch davon bislang nicht abschrecken lassen«, stellte ich fest.
    »Nein«, gab sie zu und ihre Lippen umspielte ein Schmunzeln.
    »Dann soll es mich auch nicht abschrecken!«, rief ich erfreut aus und Miss Kingsbury fiel in mein Lachen mit ein.
    »Mein Name ist übrigens Madeleine«, erklärte Miss Kingsbury, »aber du kannst auch Maddy zu mir sagen.«
    »Und ich bin Gerald«, antwortete ich mit einer angedeuteten Verbeugung und wunderte mich über Maddys wissendes Lächeln.
     
    So oft es meine Arbeit für Cavendish zuließ, fuhr ich in den nächsten Wochen zu Maddy und ließ mich von ihr in Heilkunde unterrichten. Dankenswerterweise hatte sie über viele ihrer Erkenntnisse Aufzeichnungen gemacht, die ich mir ausleihen durfte und nachts las. Hin und wieder begleitete ich sie auch und assistierte ihr, wenn der eine oder andere Kranke heimlich nach ihr schicken ließ.
    Eines Tages bekam Cavendish Wind davon und bat mich zu einem Gespräch in sein Schreibzimmer.
    »Mein lieber Gerald«, begann er, während seine freundlichen Augen nachdenklich auf mir ruhten, »du bist ein tüchtiger Bursche und du weißt, dass ich mit deiner Arbeit immer sehr zufrieden war.« Er machte eine Pause, um nach den passenden Worten zu suchen. »Aber mir ist zu Ohren gekommen, dass du in letzter Zeit häufig die Gesellschaft von Miss Kingsbury gesucht hast und sie ist vielleicht nicht der richtige Umgang für dich.«
    Ich schwieg und sah ihn nur fragend an.
    Cavendish seufzte. »Weißt du, Miss Kingsbury macht sich durch ihr Treiben bei gewissen Persönlichkeiten hier im Ort ziemlich unbeliebt. Und das ist unter Umständen nicht ganz ungefährlich.«
    »Persönlichkeiten, wie zum Beispiel …?«, fragte ich harmlos.
    »Nun, zunächst einmal Sir Lanark – du wirst vielleicht mittlerweile bemerkt haben, wie viel Macht er in North Berwick hat – und dann wären da natürlich auch noch Doctor Stamford, Angus Clerkenwell, der Bürgermeister, und Reverend Crox«, erklärte der Apotheker unbehaglich.
    Ich sah ihn ruhig an. »Und verbietet Ihr mir nun, Miss Kingsbury zu sehen?«, fragte ich.
    Cavendish seufzte erneut. »Ich werde dir nicht verbieten, sie zu sehen. Ich möchte dich nur bitten, vielleicht etwas vorsichtiger zu sein.«
    Ich versicherte ihm, dass ich auf mich achtgeben würde und dass er sich keine Sorgen zu
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