Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)

Titel: Zeitgenossen - Gemmas Verwandlung (Bd. 1) (German Edition)
Autoren: Hope Cavendish
Vom Netzwerk:
auffällige Erscheinung sich in meine Erinnerung eingebrannt hatte: Es war der rotäugige Peer vom Hafen, der Mann, den der Viscount angeblich getötet hatte, und beide beugten sich genüsslich über eine mehr tote als lebendige Hafendirne.
    Unfähig mich zu rühren, stand ich in der Tür. Arlington bemerkte mich und drehte sich lächelnd zu mir um. »Ah, Galveston, mein junger Freund, Ihr erscheint früher als erwartet«, rief er mir jovial zu. »Ich glaube, Ihr hattet noch nicht das Vergnügen, Lord Wheeling, den dritten Baron of Travisham, kennenzulernen.«
    Ich nickte leicht, als Arlington auf mich zukam und Lord Wheeling mich neugierig musterte. Schließlich stand der Viscount vor mir und sah mich eindringlich an, während er laut sagte: »Ich widme mich Euch dann später, mein bester Galveston, lasst mich nur erst meine Geschäfte mit dem Baron erledigen.«
    »Was soll das?«, zischte ich. »Ihr sagtet, er sei tot! Und das Mädchen?«
    »Ihr verlangt mehr zu wissen, als Euch gut tut!«, flüsterte Arlington rügend und drängte mich zurück. »Vielleicht solltet Ihr Euch hier heraushalten.«
    Dann schloss er die Tür vor mir.
    Wie betäubt starrte ich auf die Tür. Was ging hier vor? Arlington hatte meine Identität vor dem Baron verschleiert, aber er hatte mich auch belogen. Travisham war nicht nur putzmunter, er machte offenbar auch mit dem Viscount gemeinsame Sache.
    Hass und Ekel krochen in mir hoch. Was immer die beiden für ein Spiel trieben, ich wollte nicht daran teilhaben. Ich rannte in mein Zimmer hoch und packte rasch ein paar Kleider zusammen. Ich beschränkte mich jedoch auf die Männerkleidung. Ich würde jetzt auf unabsehbare Zeit alleine auf mich gestellt sein, und wenn unser Land auch von einer Frau regiert wurde, so kam ich als Mann doch viel leichter voran.
    Ich lief zu den Stallungen hinüber und versteckte mich in einer Nische, bis ich sicher sein konnte, keinem der Stallknechte zu begegnen. Dann sattelte ich eine schwarze Stute, die ich schon einige Male geritten hatte, und verließ mein geliebtes London in nördlicher Richtung.
     

Unsterblich
     
    Ich wusste natürlich, dass ich zu Pferde nicht so schnell vorankam wie zu Fuß, aber ich mochte mich nicht ganz ohne Gefährten auf die ungewisse Reise machen, außerdem war diese Fortbewegungsart in Siedlungsgebieten unauffälliger. Selbstverständlich musste ich der Stute regelmäßig Erholungspausen gönnen. Ich nutzte diese Pausen, um darüber nachzudenken, wie es weitergehen sollte. Mich mit der jüngsten Vergangenheit auseinanderzusetzen, war mir zu schmerzhaft, also dachte ich über die Zukunft nach.
    Mich zu ernähren, um zu überleben, stellte mittlerweile kein Problem mehr dar. Doch ich wusste, dass ich viel Zeit vor mir haben würde und ich wollte sie sinnvoller nutzen, wollte mich nicht nur auf die blanke Existenz reduziert wissen. Vor allem wollte ich mich weiterbilden. Es gab so vieles in dieser Welt, das ich noch nicht kannte oder wusste, und ich hatte vor, so viel wie möglich davon zu lernen. Doch dazu benötigte ich zunächst einmal ein wenig Geld.
    Mein Vater hatte mehrere Kunden aus dem schottischen Königreich gehabt und einer von ihnen hatte wiederholt von der University of Edinburgh geschwärmt, die James VI. erst vor wenigen Jahren gegründet hatte. Ich beschloss, mich dort einzuschreiben, sobald ich das erforderliche Geld zusammenhatte.
     
    Unentschlossen darüber, wo ich mich zunächst niederlassen sollte, landete ich nach etlichen weiteren Tagesritten in North Berwick, einem kleinen Küstenstädtchen im Südosten Schottlands. Und hier war mir das Glück zum ersten Mal wieder hold.
    Es gab im Ort eine Apotheke, und der Apotheker, ein gemütlicher älterer Mann namens Arthur Cavendish, war nicht abgeneigt, als ich ihn fragte, ob er einen Gehilfen gebrauchen könnte. Ich hatte inzwischen keinerlei Schwierigkeiten mehr, mich als junger Mann auszugeben und stellte mich ihm als Gerald Galveston, Sohn eines kürzlich verstorbenen Apotheker-Paares, vor. Vorsorglicherweise hatte ich vorab eine recht schmucklose und einfache Tracht aus meinem Kleidersack angezogen, damit der Apotheker anlässlich meines Ersuchens nicht misstrauisch wurde. Und so machte ich mich frohen Mutes ans Werk, als er mich bat, meine bisherigen Kenntnisse zu demonstrieren.
    Innerhalb kurzer Zeit hatte ich Cavendish aus getrockneten Melissen- und Brombeerblättern, Rosen-, Kornblumen- und Hopfenblüten einen Tee gegen Schlafstörungen zusammengestellt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher