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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Autoren: Eva Völler
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sonst. Als ich einen Schritt auf die Treppe zumachte, wäre ich um Haaresbreite abermals in den Kanal gefallen. Winner packte mich von hinten am Hosenbund und bewahrte mich vor einem erneuten Bad in der Brühe, während Papa sich vom Kai herabbeugte und die Hände ausstreckte, um mir an Land zu helfen.
    Einen Sekundenbruchteil, bevor ich Papas Finger berührte, hörte ich Winner etwas rufen, es klang wie troppo tardi , 4 was im Italienischen wahrscheinlich Trampeltier bedeutete.
    Dann, zu meinem grenzenlosen Erstaunen, begann es zwischen mir und dem Kai zu flimmern. Zuerst war es wie eine dünne Linie aus Licht, die aussah, als hätte sie jemand mit einem Beamer in die Luft projiziert, und dann wurde das Phänomen flächiger, als würde sich zwischen mir und den Menschen am Kai eine Schicht aus purem, blendendem Licht bilden, die immer dichter wurde.
    Mein Vater und die Leute um ihn herum verschwammen und wurden gleichzeitig von dem Licht verhüllt, bis nichts mehr von ihnen zu sehen war.
    »Was geschieht hier?«, schrie Frau Tasselhoff hinter mir. »Hilfe! Heinrich, tu doch was!«
    Falls Heinrich etwas tat, so half es nichts. Frau Tasselhoff schrie abermals schrill um Hilfe, um dann von einer Sekunde auf die andere zu verstummen.
    Ich wollte etwas sagen, aber meine Stimmbänder waren plötzlich aus Eis. Ich versuchte, die Hände auszustrecken, doch mein Körper war gelähmt.
    Kälte umfing mich, ich konnte nicht mehr atmen. Um mich herum begann es zu vibrieren, alles geriet in Bewegung, ich wurde gerüttelt und geschüttelt, das Boot schien sich zu heben und zugleich in einen Abgrund zu fallen, obwohl es unmöglich war, dass beides gleichzeitig geschah.
    Ich bin ertrunken, schoss es mir durch den Kopf. In Wahrheit hat mich niemand gerettet. Ich liege auf dem algenverseuchten Grund des Canal Grande und bin tot. Das, was ich hier erlebe, sind sozusagen die letzten Zuckungen meiner armen Aura, bevor sie für immer im Nirwana verschwindet.
    Die blendende Helligkeit umgab mich nun vollständig. Und im nächsten Moment, schrecklich unerwartet, explodierte sie, begleitet von einem ohrenbetäubenden Knall. Dann versank die ganze Welt in absoluter Schwärze.

    Als ich wieder zu mir kam, konnte ich nichts sehen. Dafür konnte ich umso besser fühlen. Ich kam mir vor wie klein gehackt, gut durchgekaut und ausgespuckt. Von Kopf bis Fuß tat mir alles weh. Am schlimmsten waren die Kopfschmerzen. Von innen schlug jemand mit einem Hammer gegen meine Schläfen. Vielleicht auch mit einer Spitzhacke.
    Stöhnend machte ich mich bemerkbar und versuchte gleichzeitig herauszufinden, wo ich war. Und warum ich flach auf dem Rücken auf steinhartem Untergrund lag.
    Ich lag auf Stein, wie ich gleich darauf feststellte. Meine Fingerspitzen tasteten über holpriges Pflaster. Schmutziges Pflaster. Hatte ich da eben einen Hundehaufen angefasst? Tatsächlich, es stank widerlich!
    Aber das war nicht das Schlimmste. Ich war nackt! Sogar meine Unterwäsche war weg! Sofort versuchte ich, um Hilfe zu schreien, doch es kam kein Ton heraus.
    »Was soll ich mit dem Mädchen machen, wenn sie aufwacht?«, fragte eine leise Männerstimme. »Sicher kommt sie bald zu sich.«
    »Dasselbe wie mit den anderen«, kam es genauso leise zurück. Das war Winners Stimme! »Sorg dafür, dass sie sich anzieht und heimgeht. Wenn sie mitgekommen ist, muss sie hier auch ein Zuhause haben.«
    »Bist du sicher?«, fragte der erste Mann. »Schließlich war sie nicht vorgesehen.« Obwohl er nur flüsterte, war zu hören, dass er verärgert war.
    »Hast du einen anderen Vorschlag?«
    »Ja, dass du dich selbst um sie kümmerst. Schließlich hast du die unerwünschte Fracht mitgebracht!«
    »Ich muss sofort weiter, und das weißt du. Noch heute Nacht soll es Trevisan ans Leder gehen, und wenn nicht ich es verhindere, wer dann? Die Malipieros lauern mit Gift und Dolch an jeder Ecke!«
    »Na gut, dann verschwinde und tu, was du nicht lassen kannst«, sagte er erste Mann resigniert.
    Schritte entfernten sich, und dann sah ich endlich den ersten Schimmer von Licht – eine Decke wurde von meinem Gesicht weggezogen. Genauer, eine Art grober Sack, den irgendwer über mich gebreitet und mir damit die Sicht versperrt hatte.
    Im schwachen Schein einer flackernden Laterne erblickte ich ein Gesicht über mir, das nicht sonderlich vertrauenswürdig wirkte. Zumindest hätte es eine gründliche Rasur vertragen, bei dem zotteligen Bart. Der dazugehörige Mann war noch jung, höchstens Anfang
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