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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Autoren: Eva Völler
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»Spiegel«, wiederholte ich entsetzt. »Spiegel!«
    Der Bärtige seufzte. »Versuch es gar nicht erst.«
    »Was habt ihr mit mir gemacht?«, rief ich anklagend. »Wieso kann ich nicht mehr Spiegel sagen? Ich meine natürlich nicht Spiegel, sondern Spiegel !«
    »Was immer du sagen willst, du kannst es nicht aussprechen. Weil es ein Anachronismus wäre.«
    Das hatte ich heute doch schon einmal gehört! »Ein Anachro… Was zum Teufel ist das?«, rief ich entsetzt.
    »Etwas, das nicht in diese Zeit passt.«
    Fassungslos starrte ich ihn an. »In diese Zeit ?«
    »Aus deiner Sicht ist es die Vergangenheit.«
    Ich konnte mir nicht helfen, ich musste laut loslachen. Doch es war nicht im Geringsten komisch. Sogar in meinen eigenen Ohren hörte sich mein Lachen durchgeknallt an.
    »Pst, mach nicht so viel Lärm!«, tadelte der Bärtige mich. »Du schaffst es noch, dass die Wachleute uns schnappen!«
    Entschlossen holte ich Luft. »Ich will endlich wissen, was wirklich hier los ist!«
    »Das habe ich dir eben erklärt.«
    »Und ich glaube davon kein Wort.«
    Der Bärtige seufzte abermals. »Komm mit. Ich bringe dich an einen Ort, wo du für eine Weile bleiben kannst.«

    Ich folgte ihm. An wen hätte ich mich auch sonst halten sollen? Ich kannte ihn zwar nicht, aber immerhin kannte er den Kerl, der mich hierher verschleppt hatte, das war schon mal ein Anfang, um die ganze Sache aufzuklären.
    Und Aufklärungsbedarf bestand wahrhaftig. Nirgends gab es elektrisches Licht, weder in den Häusern noch in den Gassen oder auf den Plätzen. Nirgends ein Motorboot, an keiner einzigen Anlegestelle. Die Menschen, die uns von Zeit zu Zeit über den Weg liefen, waren allesamt altertümlich gekleidet. Die meisten von ihnen hatten Windlichter bei sich, einige auch Fackeln. Alles kam mir vollkommen echt vor. Ich konnte sogar das Pech der Fackeln riechen.
    Also musste ich verrückt sein, denn nur Verrückte konnten sich Dinge einbilden, die ihnen absolut real vorkamen. Mit einem harmlosen Nackenjucken hatte es begonnen und sich dann schlagartig zu einer handfesten Psychose ausgewachsen.
    Wenn ich erst wieder zu Hause war, durfte ich niemandem diese irre Story erzählen. Vanessa würde fragen, was ich eingeworfen hätte, und meine Mutter würde mich zum Schulpsychologen schleppen und ihm von meinen intermittierenden Wahrnehmungsstörungen berichten.
    Der würde mit täuschend sanftem Lächeln fragen: »Warst du in der letzten Zeit ungewöhnlichem Stress ausgesetzt, Anna? Du weißt sicher, dass es in Wahrheit keine Zeitreisen gibt, oder?«
    Nein, natürlich gab es die nicht. So schlau war ich selbst. Am besten fing ich gleich damit an, alles, was ich hier erlebte, als eine Art Illusion zu betrachten. Zum Beispiel diesen mürrischen Venezianer. Nachdem er mir mitgeteilt hatte, dass ich mich in der Vergangenheit befand, verfiel er in Schweigen, und weil er sowieso bloß in meiner Einbildung existierte, hielt ich es nicht für nötig, mit ihm zu reden.
    Trotzdem folgte ich ihm, denn eine ungute Ahnung sagte mir, dass ich nicht viel damit bewirken würde, wenn ich einfach stehen blieb.
    Im Eilschritt führte er mich durch Gassen und über Brücken und ich trottete hinter ihm her wie ein hypnotisiertes Schaf.
    »Wo gehen wir hin?«, wollte ich irgendwann wissen. Vielleicht war er eine freundliche Fata Morgana und konnte mir helfen, aus dieser eingebildeten Situation herauszufinden, wenn ich ihn höflich fragte.
    Keine Antwort.
    »Hast du eigentlich auch einen Namen?«, fragte ich.
    »Bartolomeo.«
    Mein Unterbewusstsein hatte wirklich eine Menge Fantasie. Es gab sogar Phantomen eigene Namen. Ich beschloss, Bartolomeo zu Bart abzukürzen, zumal das gut zu dem Gestrüpp in seinem Gesicht passte.
    Gerade fragte ich mich, wie lange ich wohl noch in diesem schrägen Geisteszustand durch die Nacht laufen musste, als er in einer winzigen Gasse stehen blieb. »Wir sind da.«

    Wir standen vor einem schmalen, zweistöckigen Häuschen, bei dem das zweite Stockwerk ein Stück über das erste hinausragte, so wie bei allen Häusern in dieser Gasse. Die Fenster waren klein und hatten Butzenscheiben, hinter denen es dunkel war.
    Ungeduldig hämmerte Bart an die Tür, bis diese von innen geöffnet wurde. Ein durchdringender Geruch nach Kräutern, Rauch und ungelüftetem Mief schlug mir entgegen. Für eine Einbildung roch es erstaunlich real.
    Eine Frau stand vor mir in einem zeltartigen, bodenlangen Hemd, unter dem ihre Körpermassen nur so wogten. Sie hielt eine
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