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Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber

Titel: Zeitenzauber - Völler, E: Zeitenzauber
Autoren: Eva Völler
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bin ich ja von Natur aus blöd. Erzählte ich schon, dass ich gerade eine Klasse wiederholt habe?«
    »Das lag nur an deiner beispiellosen Faulheit«, sagte Mama. »Und an deiner bedauernswerten Dyskalkulie.«
    »Oh, nennt man so nicht eine Rechenschwäche?«, fragte Frau Tasselhoff mitleidig. »Wie schrecklich für dich.«
    »Ich kann damit leben«, sagte ich. »Eine Fünf in Mathe ist ja kein richtiges Handicap, jedenfalls keines, für das man ein Golfwägelchen braucht.«
    »Eigentlich meinte ich dich«, sagte Frau Tasselhoff zu meiner Mutter. »Für dich ist es schrecklich. Lieber Himmel, eine Koryphäe auf dem Gebiet der Physik zu sein, aber das eigene Kind …«
    Mein Vater verteidigte mich. »Das hat Anna von mir. Ich konnte auch nie besonders gut rechnen. Und fast wäre ich auch mal sitzen geblieben.«
    »Matthias hat eine Klasse übersprungen«, sagte Frau Tasselhoff. »Er macht nächstes Jahr bereits Abitur und wird dann Zahnmedizin studieren.«
    »Mama«, sagte Matthias peinlich berührt.
    »Jeder Mensch hat seine speziellen Fähigkeiten«, erklärte Herr Tasselhoff mit fester Stimme. »Der eine da, der andere dort.«
    Frau Tasselhoff legte ihre Hand auf seine. »Wie recht du hast, Heinrich. Seien wir froh, dass Matthias so überragend begabt ist. Es kann nicht jeder so intelligent sein wie er.«
    Das konnte Papa nicht auf mir sitzen lassen. »Anna schreibt wundervolle Aufsätze«, sagte er. »Sie hat ein Talent fürs Schreiben. Und für lustige Geschichten. Ihr Sinn für Humor ist unschlagbar.«
    »Papa!« Diesmal war ich peinlich berührt. Gleich würde er noch erzählen, dass ich mal einen Pokal beim Bodenturnen gewonnen hatte.
    »Und Anna sieht toll aus«, warf Matthias ein, als wäre das eine überzeugende Rechtfertigung für meine Rechenschwäche. »Wie eine Zwillingsschwester von Miley.«
    »Danke«, sagte ich.
    »Welche Miley?«, fragte Frau Tasselhoff
    »Miley Cyrus«, erklärte Matthias.
    »Wer ist das?«
    »Na, die Sängerin. Die auch bei Hannah Montana die Hauptrolle spielt.«
    »Bei was?«
    »Das ist eine Serie. Sie läuft auf Disney Channel.«
    Seinen und meinen Eltern war anzusehen, dass sie keinen blassen Schimmer hatten, wer Miley oder Hannah waren, aber niemand wollte es zugeben.
    »Aussehen wird oft überbewertet«, erklärte Frau Tasselhoff.
    Herr Tasselhoff zog den Bauch ein. »Du hast recht, Liebes.«
    Nachdem das geklärt war, brachen wir zur Regata storica auf.
    Frau Tasselhoff hatte nicht übertrieben, es war fast unmöglich, zum Kanal zu gelangen. Zu beiden Seiten des Kanals rangelten die Leute um die besten Plätze. Auf den Balkonen und Loggien der Palazzi tummelten sich bereits zahlreiche Zuschauer. Manche hatten sich vorausschauend in einem der Uferrestaurants einen Tisch reserviert, andere hatten gute Sicht von ihren Booten aus, die entlang der Kaimauern festgemacht waren. Überall herrschte Gedränge, es schien nahezu aussichtslos, überhaupt einen Blick aufs Wasser zu erhaschen.
    »Wir sind zu spät«, klagte Frau Tasselhoff.
    »Unsinn«, meinte ihr Mann. »Die Bootsparade fängt doch erst in einer halben Stunde an!«
    »Ja, aber es ist so voll hier! Wir werden nichts sehen!«
    Wir kehrten um und marschierten im Zickzack durch ein paar Gassen, um an einer anderen Stelle zum Ufer vorzustoßen, doch auch dort war der Kai schon überfüllt.
    »Wie ärgerlich«, sagte Mama.
    »Da vorn, an der Anlegestelle«, sagte Papa. »Da ist noch Platz.«
    »So ein glücklicher Zufall!«, rief Frau Tasselhoff.
    Ich sah, wie Mama die Stirn runzelte. »Ich glaube nicht, dass sich Zuschauer dort hinstellen dürfen. Sonst würden da schon längst welche stehen.«
    »Siehst du vielleicht ein Verbotsschild oder eine Absperrung?«, fragte Frau Tasselhoff. Siegessicher bahnte sie sich einen Weg zwischen den Leuten hindurch, ein auffallender Farbklecks in dem pinkfarbenen Kostüm, das sie heute trug.
    Tatsächlich war ein breiter Streifen unmittelbar an dem Bootsanleger leer, als hätte man ihn extra für uns frei gehalten. Die Leute wichen sogar zur Seite, um uns vorbeizulassen, als wir uns dorthin vorkämpften.
    »Das ist ja ein richtiger Logenplatz«, freute sich Herr Tasselhoff.
    »Ja, unglaublich!«, stimmte Papa zu.
    »Es ist wirklich unglaublich«, meinte Mama irritiert. Sie blickte sich um, als erwarte sie, dass jeden Moment Carabinieri oder sonstige Autoritäten auftauchten, um uns zu verbieten, dort zu stehen, etwa weil die Stelle für das Feuerwehrboot frei zu halten sei. Doch niemand
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