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Zeitbombe Internet

Zeitbombe Internet

Titel: Zeitbombe Internet
Autoren: Thomas Fischermann
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schon zu Beginn der neunziger Jahre der umtriebige Rancher, Songschreiber und einflussreiche Internetvordenker Perry Barlow vorausgesagt.
    Werden Menschen, die ihr Leben besonders eng mit dieser Technik verwoben haben, tatsächlich zu einer Art Cyborg, einer Mischung aus Mensch und Maschine? Sind diese Menschen nur noch »komplett« in ihrer Verbindung mit der Technik? Techniksoziologen, Medienwissenschaftler und Philosophen wie Marshall McLuhan haben über dieses Thema schon vor Jahrzehnten nachgedacht. Die Soziologin und Psychologin Sherry Turkle, die am Massachusetts Institute of Technology bei Boston lehrt, erforscht es in der Praxis: Über fünfzehn Jahre hat sie in Feldforschungen das Verhältnis der Menschen zu Robotern, Computern, Handys und dem Internet dokumentiert.
    Ihre Interpretation läuft darauf hinaus, dass Intensiv-Nutzer von Handy und Co. tatsächlich zu einer Art Cyborg werden. Diese Menschen seien mit der Technik in einer Weise eins geworden, die noch vor wenigen Jahren auch für sie selbst unvorstellbar gewesen sei. Die Computersysteme werden, wie Damon Darlin in der New York Times schrieb, zu »einem Hilfsgehirn«. iPhone und Co. seien »Erweiterungen unseres Ichs geworden, aber nicht in dem Sinn, in dem eine teure Uhr etwas darüber sagt, wer wir sein wollen, sondern tatsächlich als ein Teil unseres Bewusstseins«.
    Der Google-Gründer Sergey Brin erzählt in diesen Tagen besonders gerne von seiner Vision, dass das komplett vernetzte Internet zu einer Art künstlicher Intelligenz heranwachsen werde. Zu einer künstlichen Intelligenz mit einem Gedächtnis, das das Wissen der Welt umfasst. Die perfekte Suchmaschine wäre wie der Geist Gottes.
    Wenn das mal nicht schief geht.
    Anarchie als Programm: Der Bauplan des Netzes
    Es ist noch nicht ganz ausdiskutiert, ob das Internet ursprünglich als eine Waffe gedacht war oder als drogenfreier Trip für bärtige Hippies. Tatsache ist: Das amerikanische Verteidigungsministerium hat die Entwicklung des Internet bezahlt. Tatsache ist auch: Es hat dafür ein paar denkbar ungewöhnliche Typen angeheuert.
    Vint Cerf. Larry Roberts. Robert Kahn. John Postel. Dave Clark. Es ranken sich viele Geschichten um diese Männer – die Erfinder des Internet. Jene Gruppe von Ingenieuren, die in den sechziger und siebziger Jahren das IP-Protokoll entwarfen, eine Sammlung technischer Übereinkünfte, die man heute kurz das »Internet-Protokoll« nennt. Bis heute gibt IP den Rahmen für jeden Datenaustausch im Netz vor, ob es nun um den Versand einer Kurznachricht geht, die Übertragung eines Films auf YouTube oder um die Koordination der abertausend Mitspieler bei »World of Warcraft«. Die Gründerväter waren Akademiker und Regierungsangestellte. Sie waren keine großen Freunde von Begriffen wie »Cyberspace« und »virtuelle Realität«, die damals schnell in Mode kamen, weil sie so etwas für Fantastereien ohne technischen Gehalt hielten.
    Und doch war ihre Erfindung eine Revolution.
    Das Pentagon wollte ein Netzwerk für seine Computer haben, das unter den widrigsten Bedingungen immer noch funktionierte. Die Antwort der Gründerväter auf diese Herausforderung lautete: Mehr Anarchie zulassen! Im ersten Vorläufer des Internet (Arpanet) wurden Daten aller Art in kleine Datenpakete von je tausend bis zweitausend Zeichen zerhackt, und die fanden an ihr Ziel, ohne dass eine zentrale Poststelle ihren Weg geplant und überwacht hätte. Sie suchten sich selber ihren Weg durchs Netz. Sie jagten mit Lichtgeschwindigkeit von Knotenpunkt zu Knotenpunkt und fragten sich dabei so lange durch, bis sie an ihr Ziel gelangten.
    So was konnte nur in den Sechzigern passieren: Ausgerechnet im Dienste der Armee hatten die Gründerväter des Internet eine Welt frei von Hierarchien geschaffen. »Im Endeffekt
haben sie damals Züge der libertären amerikanischen Bewegung und sogar den Idealismus der sechziger Jahre in die universelle Sprache des Internet eingebaut«, schreiben Jack Goldsmith und Tim Wu, zwei Rechtsprofessoren und Internetexperten an den Universitäten Harvard und Columbia.
    Es kam aber noch besser. Das Ur-Internet war völlig offen: Jede Art von Computer konnte an dieses Netz angeschlossen werden und fortan Pakete verschicken, Pakete empfangen, Pakete weiterleiten. Besondere technische Voraussetzungen oder gar Sicherheitsanforderungen waren nicht
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