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Zeitbombe Internet

Zeitbombe Internet

Titel: Zeitbombe Internet
Autoren: Thomas Fischermann
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dem charismatischen Vint Cerf eine eigene Cheforganisation für das ganze Internet ins Leben riefen. Mitsamt einer Firma zur Verwaltung des weltweiten Internettelefonbuchs, die in der Schweiz zuhause sein sollte.
    Vint Cerf ist heute ein Berater beim profitabelsten Internetkonzern der Welt – bei Google. Er bekleidet den Posten des »Chef-Internet-Evangelisten«, was immer das heißen mag, er trägt einen gepflegten Bart und schwarze Anzüge mit Einstecktuch und beginnt seine Vorträge gerne mit den Worten: »Eines fernen Tages in einer fernen Galaxie haben ein Mann namens Robert Kahn und ich das Internet erfunden.«
    Cerf hat den Job auch deshalb, weil er sich damals in den neunziger Jahren von der US-Regierung zügig und problemlos über ein »großes Missverständnis belehren« ließ. Den Aufstand der Interneterfinder sah man in Washington nicht gerne. Im Kongress fanden Anhörungen statt, in denen von einer »Schweizerischen Verschwörung« die Rede war, von einem »schweren Betrug des nationalen Vertrauens« durch die Interneterfinder und so weiter. Am Ende hat ein Internetbeauftragter des Präsidenten Bill Clinton sich einfach bei Vint Cerf gemeldet und ihm den Marsch geblasen. Dieser Mann, Ira Magaziner, hatte ziemlich klare Ansichten über den Aufstand der Langbärte: »Die Vereinigten Staaten haben für das Internet bezahlt, es ist unter seiner Aufsicht entstanden.«

    Es ist ein unauslöschlicher Teil der Internetfolkore, wie Jon Postel, der Gott des Internets, am 28. Januar 1998 ein letztes Mal gegen diese neue Lage der Dinge protestierte. Für ein paar Stunden leitete er einen riesigen Teil des weltweiten Telefonbuches über »seine eigenen« Computer an der University of Southern California um. Er richtete nichts Schlimmes an. Er warf niemanden raus, veränderte keine Daten. Es war eine reine Machtdemonstration. Aber nur, bis Ira Magaziner beim Chef der Uni anrief, und der Chef der Uni bei Postel, und man sich darauf einigte: War wieder alles nur ein Missverständnis. »Wir wollen Ihnen keinen Ärger bereiten«, sagte Magaziner damals in dem Telefongespräch. »Stellen Sie die Sachen wieder so ein wie sie waren, und wir werden uns alle darauf einigen, dass das ein Test war.«
    Neun Monate später ist Postel gestorben. Der Gott des Internet war tot. Aber die Schöpfung lebt. In seinen Tiefen funktioniert das Internet des Jahres 2011 noch ziemlich genauso, wie Postel und Co. es sich vor einem halben Jahrhundert ausgedacht haben.
    Wie schade, dass diese Götter nicht unfehlbar waren.
    Zu offen für alles: Die Forderung nach einem neuen Netz
    Die große Mehrheit der Computer, die heutzutage zum weltweiten Internet zusammengeschlossen sind, laufen mit dem Betriebssystem »Windows«. Das ist ein Programm, das der gigantische amerikanische Softwarekonzern Microsoft herstellt. Und Microsoft beschäftigt heute in seiner Zentrale in Redmond im US-Bundesstaat Washington einen Mann, der sich der »oberste Verbrechensbekämpfer« nennt.
    Wenn Thomas J. Campana gefragt wird, ob ein Microsoft-Windows-Rechner heutzutage noch sicher sei, dann wird er ziemlich staatstragend. Er sagt dann einen langen Satz, der auffällig viele Bedingungen enthält: »Wenn Sie sich vorbildlich im Internet verhalten«, sagt Campana, »wenn Sie Ihr Betriebssystem und Ihre Programme laufend aktualisieren, einen
Virenscanner laufen lassen, sich nicht als Administrator, sondern als normaler Benutzer in den Computer einloggen und sich von verdächtigen Ecken des Internet fernhalten – dann sind Sie heute ziemlich sicher im Netz.«
    Zu der Sache mit den »verdächtigen Ecken des Internet« muss man aber etwas nachtragen. Wenige Wochen nach dem Gespräch mit Campana gab in Norwegen zähneknirschend das Nobelpreiskomitee bekannt: PCs, deren Benutzer die Seite über den Friedensnobelpreis angeklickt hatten, waren jetzt leider, soweit sie den beliebten »Firefox«-Browser verwendet hatten, möglicherweise mit einer neuartigen Schadenssoftware verseucht. Offenbar hatten unbekannte Hacker die Webseite unter ihre Kontrolle gebracht und das schädliche Programm eingeschleust. Ungefähr wöchentlich werden Webseiten großer Konzerne, Ministerien oder Nichtregierungsorganisationen unterwandert. Gelegentlich sogar die von Sicherheitsfirmen oder Anti-Virenschutz-Verkäufern.
    Die Wahrheit ist: Eine ganze
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