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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition)
Autoren: Amanda Knox
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arbeiteten in Anwaltskanzleien. Laura wirkte etwas exzentrisch, sie hatte zahlreiche Piercings in den Ohren. Filomena war mädchenhafter, aber ebenso entspannt wie Laura – ein bisschen hippiemäßig – und echt lustig. Sie erinnerten mich an meine Freundinnen in Seattle. Ich fühlte mich wohl.
    Laura sprach besser Englisch als Filomena. Als sie mich ausfragte, erzählte ich ihr, dass ich Gitarre spiele, meine aber nicht nach Perugia mitnehmen konnte.
    »Oh, ich habe eine«, sagte Laura. »Die kannst du jederzeit benutzen.«
    Und als ich sagte, ich mache Yoga, erwiderte sie: »Wow, kannst du es mir beibringen? Das wollte ich schon immer lernen.«
    »Das Jazz- und das Schokoladenfestival werden dir gefallen«, fügte Filomena hinzu. Sie bot Deanna und mir frische Feigen aus dem Garten an.
    Sie sagten, sie hätten auch schon mit anderen Bewerbern gesprochen. Ein Typ, den sie als »total verklemmt« bezeichneten, sei interessiert gewesen, bis er herausbekam, dass sie rauchten – Zigaretten und Marihuana. »Geht das klar für dich?«, fragte Filomena.
    »Ich komme aus Seattle. Ich seh das locker«, antwortete ich. »Ich rauche keine Zigaretten, aber bei einem Joint bin ich dabei.« Kurz darauf drehten sie einen und reichten ihn herum. Ich inhalierte tief und entspannte mich beim vertrauten Brennen in der Brust. Ich hatte Glück – und ich war sehr zufrieden mit mir. Sechstausend Meilen von zu Hause entfernt und ohne die Hilfe meiner Mutter oder meines Vaters hatte ich das nächste Kapitel meines Lebens unter Dach und Fach gebracht. Ich hatte diese wunderbare Unterkunft gefunden und würde so leben wie eine Einheimische – Laura, Filomena und ihre vier Nachbarn im Untergeschoss waren alle Italiener.
    »Es gefällt mir total gut«, sagte ich. »Morgen bringe ich meine Anzahlung vorbei. Sobald ich an einen Geldautomaten komme.« Bevor wir gingen, machte Deanna noch ein Foto von Laura, Filomena und mir an der Haustür. Lächelnd hatten wir uns die Arme um die Schultern gelegt.
    Nachdem wir alles erledigt hatten, brachen Deanna und ich zu Tante Dolly nach Hamburg auf. Ich konnte mir vorstellen, dass das letzte Zimmer vermietet sein würde, wenn ich Mitte September zurückkehrte. Laura und Filomena hatten gesagt, am liebsten wäre ihnen eine weitere Frau; vor allem legten sie aber Wert darauf, jemanden zu finden, der unkompliziert war und sich gut einfügte. Ich mochte sie so gern, dass ich wusste, ich würde mit jedem zurechtkommen, den sie aussuchten.
    Etwa eine Woche nach meiner Abreise schickten mir Filomena und Laura eine E-Mail, in der sie mir mitteilten, dass eine britische Austauschstudentin namens Meredith Kercher einziehen würde. Sie schrieben, sie sei ruhig und nett – aus der Nähe von London. Und sie drängten mich, bald zurückzukommen, damit wir »losfeiern« könnten.
    Ich konnte es kaum erwarten, wieder nach Perugia zu fahren. Aber mein erster Ausflug dorthin hatte mir auch einen Dämpfer versetzt. Ein paar Tage nach unserer Ankunft in Deutschland bildete sich ein gigantisches Fieberbläschen auf meiner Oberlippe, von dem Dolly und ich annahmen, dass es Herpes sein müsse – von Cristiano. Mir war es äußerst peinlich, dass Dolly mit mir zur Apotheke gehen musste, um herauszufinden, wie das Ding zu behandeln war. Ich konnte es nicht fassen – da hatte ich einmal in meinem Leben etwas Wildes gemacht, und peng! Ich hatte eine spontane Entscheidung getroffen, und jetzt würde ich ein Leben lang dafür bezahlen müssen.
    Die Vorstellung, dass ich nun immer Medikamente einnehmen musste, deprimierte mich. Noch beschämender war, dass ich ab sofort möglichen Partnern würde erklären müssen, dass ich vielleicht ein Risiko war. Ich machte mir das Leben schwer, doch nach ein paar Tagen und sehr vielen Selbstgesprächen beruhigte ich mich. Fieberbläschen sind nicht tödlich. Ich schwor mir, in Zukunft vorsichtiger zu sein. Nach dem Glücksfall mit der Villa hatte ich eben eine Pechsträhne gehabt. Ich sagte mir, wenn nichts Schlimmeres passieren würde, käme ich damit zurecht.

3
    September 2007,
Perugia, Italien
    I ch lernte Meredith am 20. September 2007 kennen, an dem Tag, als ich in der Via della Pergola 7 einzog. Sie war zur Hälfte indischer Abstammung und eine exotische Schönheit, eine Britin, die im Hauptfach Europawissenschaften studierte. In dem einen Monat in Perugia hatte sie sich bereits einer Gruppe Engländerinnen angeschlossen. Als sie plaudernd bei mir im Türrahmen stand, während ich
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