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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition)
Autoren: Amanda Knox
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Teile sind definitiv ausgefallener, als ich es gewohnt bin«, sagte Meredith, »aber sie sind geil.« Sie probierte dies und das an, trat aus der Umkleidekabine, um sich damit zu zeigen und Rat einzuholen, wo sie es anziehen könnte. Schließlich kaufte sie ein funkelndes, silbernes Vintage-Kleid, das sie zu Silvester in London anziehen wollte.
    Natürlich ergab es sich, dass Meredith und ich uns näherstanden als unseren Mitbewohnerinnen – wir versuchten beide, eine Stadt und eine Sprache kennenzulernen, die wir nicht kannten. Filomena und Laura waren langjährige Freundinnen, älter, sie hatten das Studium beendet, und sie waren Italienerinnen. Perugia war für sie nichts Neues.
    Während ich auf den Beginn des Semesters wartete, versuchte ich, Italienisch zu lesen, und probierte neues Vokabular aus, wann immer es sich ergab. Ich ging zum Coop, einem Supermarkt an der Piazza Matteotti, sammelte meine Waren ein und ging an die Kasse. »Busta?«, fragte die Kassiererin mich.
    Das Wort kannte ich nicht. Hieß es Umschlag? Fragte sie mich, ob ich Umschläge kaufen wollte? Die Leute hinter mir in der Schlange begannen nervös von einem Fuß auf den anderen zu treten. Ich wollte schon verneinen, aber sie sah mir meine Verwirrung an und wedelte mit einem Einkaufsbeutel vor meiner Nase herum. »Busta?«
    Ich wurde rot. »Si, si, busta. Grazie. Scusa«, sagte ich.
    Ich wusste, dass es mir nicht peinlich sein sollte, aber ich wollte nicht wie eine Touristin angesehen werden. Ich wollte nicht auf meine mangelnden Sprachkenntnisse aufmerksam machen.
    Allerdings ließ ich mich durch meine Fehler nicht davon abhalten, meine Nachbarschaft ein bisschen besser kennenzulernen. Jedes Mal, wenn ich ins Internetcafé ging, um mit DJ zu skypen oder online mit meiner Mutter zu plaudern, redete ich mit Spyros, dem Mann, der es führte. Er war Grieche und Ende zwanzig, und wir sprachen über dieselben Dinge, um die es sich auch bei meinen Unterhaltungen mit Kommilitonen drehte – hauptsächlich unsere Vorstellungen und Unsicherheiten. Gnädig ließ er mein holpriges Italienisch über sich ergehen. Das war ein bisschen anders als zu Hause, wo Laura und Filomena meine sprachlichen Ausrutscher unterhaltsam fanden und sich darüber amüsierten. Ein paarmal in der Woche hing ich im Café mit Mirko ab, und wir sprachen über unsere Pläne und unsere jeweilige Wesensart. Ich: ernst, albern, Frühaufsteherin. Er: verspielt, lässig, Nachteule.
    An einem Nachmittag fragte ich ihn: »Weißt du, wo ich hier Musik live hören kann?«
    »Nein, ich steh auf Sport«, sagte er. »Magst du Inter?« – Mailands beliebte Fußballmannschaft.
    »Ich spiele lieber selber Fußball, statt zuzuschauen. Ich war Verteidigerin in einer erstklassigen Mannschaft«, sagte ich. Ihm war anzusehen, dass er mich in einer kirchlichen Kindermannschaft vor sich sah.
    »Bist du gut?«, fragte er.
    »Kennst du den Ausdruck ›schlau wie ein Fuchs‹?«, fragte ich. »Das war ich – schnell und zielstrebig hab ich eine Lücke gefunden und den Ball geklaut. Meine Mitspielerinnen gaben mir den Spitznamen Foxy Knoxy.«
    Als ich das nächste Mal ins Café ging, sah ich ihm bei der Arbeit zu und suchte nach Anzeichen für eine Verbindung zwischen uns. Im Hintergrund lief Musik – populäre Tanzmusik von einem lokalen Sender. »Magst du Musik?«, fragte ich.
    »Ich tanze gern«, antwortete er. »Und du?«
    War er etwa ein niveauloser Partyhengst? Das wollte ich doch nicht hoffen.
    »Ich singe lieber, und Gitarre spiele ich auch«, erwiderte ich.
    Vielleicht waren wir an einen toten Punkt gelangt. Dann sagte Mirko: »Ich dachte da an einen Laden, der dir wirklich gefallen würde – da gibt’s Pizza.«
    »Lass uns irgendwann hingehen«, schlug ich vor und dachte: Kaum zu fassen, dass ich ihm gerade ein Date angeboten habe .
    »Wie wär’s mit heute?«, fragte er. »Ich habe um fünf Schluss.«
    Ich war aufgeregt. Mirko war nett, locker und hatte Interesse an mir.
    Als ich zurückkam, zog er gerade seine Schürze aus. Wir gingen über den Corso Vannucci, Perugias Haupteinkaufsstraße, und bogen in eine ruhigere Seitenstraße mit Läden und Restaurants ab. Vor der Pizzeria stand schon eine Schlange von Leuten, die auf einen Tisch warteten.
    »Möchtest du bei mir essen?«, fragte Mirko. »Wir können uns einen Film anschauen.«
    »Klar«, erwiderte ich und bekam zugleich einen Schreck. Das lag an der Gewissheit, dass wir Sex haben würden – dass unser Flirt die ganze Zeit darauf
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