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Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Zeit, gehört zu werden (German Edition)

Titel: Zeit, gehört zu werden (German Edition)
Autoren: Amanda Knox
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abgezielt hatte.
    Wir überquerten mit unseren Pizzakartons die Piazza Grimana neben der Ausländeruniversität, kamen an einem Park vorbei und erreichten schon bald am Ende einer Kiesauffahrt Mirkos Haus.
    »Ich wohne hier mit meiner Schwester«, sagte er mir.
    Während des Essens an seinem Küchentisch überschlugen sich meine Gedanken. War ich so schnell schon wieder bereit für ein neues Sex-Abenteuer? Das mit Cristiano bereute ich noch immer.
    Aber ich hatte darüber nachgedacht, was Brett und meine Freundinnen an der University of Washington sagten. Ich sah sie förmlich vor mir, wie sie die Augen verdrehten und sagten: »Hallooo, Amanda? Sex hat man aus Spaß an der Freud.«
    In meiner Generation hatte man einfach Gelegenheitssex.
    Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich mich mit meiner Einstellung zu Sex von allen anderen in unserer Wohnung unterschied. Ich wusste, dass Meredith seit ihrem festen Freund in England mit niemandem zusammen gewesen war. Filomena hatte einen festen Freund, Marco. Und während Laura mit einem Typen ging und schlief, den sie nett fand, aber für zu anhänglich hielt, sprach sie sich für Seitensprünge aus.
    Von Anfang an redeten wir vier offen über Sex und Beziehungen.
    Laura predigte Meredith und mir, wir sollten einfach unseren Spaß haben. Filomena war etwas zugeknöpfter. Sie konnte nicht verstehen, dass DJ und ich noch Freunde waren – und nicht mehr als das – und uns trotz unserer gemeinsamen Geschichte gegenseitig per Skype über unsere Romanzen in Kenntnis setzten.
    Ich betrachtete Mirko, während er mir gegenüber seine Pizza verschlang. Er gehörte zu dem kleinen Kreis vertrauter Gesichter, den ich mir in Perugia geschaffen hatte. Er war nett.
    Beim Essen redeten wir nicht viel. Ich trödelte und stellte ihm die üblichen Fragen zu seiner Person. Er wich aber aus und fragte: »Welche Filme magst du?«
    »Alles, was nicht gruselig ist«, erwiderte ich. »Ich würde mir echt gern einen klassischen italienischen Film anschauen.«
    »Ich habe einen lustigen auf DVD«, sagte er.
    Der Fernseher stand natürlich in seinem Schlafzimmer.
    »Es ist ein bisschen kalt. Komm, wir kriechen unter die Decke«, flötete er.
    Ich folgte ihm – vollständig bekleidet, bis auf meine Turnschuhe.
    Der Film war so kindisch, dass ich ihm kaum Beachtung schenken konnte. Außerdem war ich mit der Frage beschäftigt, wie der Abend wohl weitergehen würde. Ich mochte Mirko, kannte ihn aber nicht. Er war attraktiv, und sein Selbstvertrauen war bezaubernd. Sein Filmgeschmack war allerdings schlecht. Affären hat man eben, sagte ich mir.
    Als der Film zu Ende war, schaltete Mirko den Fernseher aus. Ohne ein Wort beugte er sich zu mir und küsste mich. Ich erwiderte seinen Kuss. Okay.
    Sobald es vorbei war, zog ich mich leise an. Ich fragte mich, was ich von meiner neu gefundenen Freiheit halten sollte. Ich war stolz auf diese Erfahrung von unverbindlichem Sex in gegenseitigem Einvernehmen, fühlte mich aber zugleich verlegen und fehl am Platz. Ich wusste noch nicht, ob ich die Sache bereuen würde oder nicht. Auch konnte ich nicht vorhersehen, dass mein privates, zweifelhaftes Experiment publik werden und mich damit ins Verderben stürzen würde. »Tut mir leid«, sagte er. »Aber du musst jetzt gehen. Meine Schwester kommt bald nach Hause. Ich bringe dich zur Ausländeruniversität. Von da aus findest du allein nach Hause.«
    Schweigend gingen wir am Park vorbei. An der Universität küsste er mich zum Abschied auf beide Wangen – in Italien die typische Begrüßungs- und Abschiedsgeste unter Freunden und Bekannten, genauso unromantisch wie ein Handschlag in Amerika. »Das sollten wir wiederholen«, sagte er. Ich nickte, verblüfft über die widersprüchlichen Emotionen, die in mir herumspukten.
    Ich ging allein zur Villa zurück, beschwingt und niedergeschlagen zugleich.
    Am nächsten Morgen erzählte ich meinen Mitbewohnerinnen, dass ich mit Mirko geschlafen hatte. »Ich bin hin- und hergerissen«, sagte ich. »Es hat Spaß gemacht, aber es war komisch, dass uns so gar nichts miteinander verbindet. Liegt das bloß an mir?«
    Laura erlöste mich. »Du bist jung und für alles offen. Mach dir keine Sorgen.«
    Danach ging es mir ein bisschen besser.
    Ein paar Tage später schaute ich im Café vorbei, und Mirko lud mich wieder zu sich ein. Ich schob meine widerstreitenden Gefühle beiseite und willigte ein. Als wir uns auf den Weg machten, lächelte er mich an und fragte mich, wie es an der Uni
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